GNX

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Sollten noch Zweifel daran bestanden haben, wer aktuell der Primus des Hip‑Hop ist, dürften diese nun ausgeräumt sein: Kendrick Lamar besetzt 2024 offiziell diese Position. Die Fehde mit Drake zog sich über Monate hin. Danach wurde gemunkelt, dass der beste Mann Comptons an einem neuen Album arbeiten würde. Vielleicht erinnerst du dich an den kleinen Song „Not Like Us“, der sofort in den Kanon der besten Diss-Tracks aller Zeiten aufgenommen wurde. Es folgte eine ausverkaufte Siegesfeier im Kia Forum, eine Reihe von Grammy-Auszeichnungen und Streamingrekorden sowie der Bekanntgabe des Headlinerslots beim Super Bowl 2025. Jetzt schließt Lamar das bisher größte Jahr seiner Karriere mit seinem sechsten Album „GNX“ ab. Es ist das wichtigste Überraschungsalbum seit Beyoncés selbstbetiteltem Werk von 2013. Das nach seinem geliebten Buick-Oldtimer benannte „GNX“ zeigt, dass Lamar noch lange nicht bereit ist, das Kriegsbeil zu begraben. Vielmehr kanalisiert er die Energie dieses Sommers und dreht den Regler dabei auf Anschlag. Auf „wacced out murals“ fährt er durch die Gegend, hört Anita Baker und plant dabei, anderen empfindliche Niederlagen zuzufügen: „It used to be fuck that n***a, but now it’s plural/Fuck everybody, that’s on my body“, heißt es hier („Früher hieß es ‚fuck that n***a‘, aber jetzt ist es im Plural / ‚Fuck everybody‘, das steht auf meinem Körper“) – eine Anspielung auf sein Super Bowl-Drama mit Lil Wayne. Und wenn du darauf gewartet haben solltest, dass Jack Antonoff sich mit Mustard zusammentut, ist jetzt deine Zeit gekommen – das vordergründig so ungleiche Paar teilt sich bei mehreren Tracks die Produktionscredits, etwa bei dem explosiven „tv off“. Gleichzeitig sorgt Lamar dafür, dass es immer spannend bleibt. Keinesfalls versammeln sich hier zwölf giftige Aggro-Tracks mit dominanten Westcoast-Beats. SZA hilft, die Dinge auf dem Luther Vandross sampelnden „luther“ zu beruhigen. Gleichzeitig greift Lamar auf „heart pt. 6“ einen seiner alten Songtitel auf, um sich an die frühen Tage auf dem Label Top Dawg Entertainment zu erinnern: „Grinding with my brothers, it was us against them, no one above us/Bless our hearts.“ („Mit meinen Brüdern ackern, wir gegen die anderen, niemand stand über uns / Segne unsere Herzen.“) Auf „reincarnated“ durchläuft er vergangene Leben zu einem Ausschnitt aus 2Pacs „Made Niggaz“, bevor er mit seinem Vater über Krieg, Frieden, Sucht und den Tod des Egos spricht. Auf „man at the garden“ umreißt er seine Qualifikationen für die Position des GOAT, also des größten Talents aller Zeiten. Nun hat er den dafür benötigten Lebenslauf um einen weiteren Punkt erweitert: Mit „GNX“ überrascht Lamar immer noch – und gibt den Leuten gleichzeitig genau das, was sie wollen.

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