In Our Own Sweet Time

In Our Own Sweet Time

Vance Joy hatte noch nie Angst, sein Inneres zu offenbaren. Seine Songs waren immer persönlich, doch noch nie hat er sein Herz so ausgeschüttet wie auf seinem dritten Album, das gleichermaßen aus einer romantischen Beziehung und im Stillstand der Pandemie entstanden ist. Und obwohl der größte Teil des Albums über Zoom geschrieben wurde, ist Vance – James Keogh – mit seinen Tracks doch überallhin gereist. „Catalonia“, das seinen klassischen Ukulele-Sound wieder aufleben lässt, mag in einem Quarantäne-Hotel in Sydney geschrieben und aufgenommen worden sein, tatsächlich aber reflektiert es die Zeit, in der er in Spanien lebte.„Wavelength“, eine Kollaboration mit Dave Longstreth von den Dirty Projectors, ist sein bisher experimentellster Song. „Don’t Fade“ wurde in Malibu geschrieben, und „Daylight“ entstand nach einer langen Schreibblockade. Menschen wie Bruce Springsteen, Tony Soprano und seine Freundin inspirierten ihn und ließen ihn über Beziehungen und die Vergänglichkeit nachdenken. Einige Songs waren gar nicht für das Album geplant, wie „Solid Ground“, der ursprünglich nur 90 Sekunden lang und für einen Netflix-Film gedacht war. Am Ende wurde er jedoch nicht verwendet, also hat Keogh etwas Neues daraus gemacht. Lies weiter, um mehr über jeden Track auf Keoghs vielseitigem Album zu erfahren. „Don’t Fade“Ich habe nur Worte gemurmelt. Ich weiß gar nicht genau, was ich da sagt. Es sind einfach irgendwelche Worte und das kann manchmal auch beängstigend oder verletzlich werden. Dave [Bassett, der den Track mitgeschrieben hat] sagte: „Hast du gerade gemurmelt ‚I wish you could see what I see when I’m seeing you‘ (‚Ich wünschte, du könntest sehen, was ich sehe, wenn ich dich sehe‘)? Das ist irgendwie schön.“ Wir hatten einen guten Opener für das Album. Das war magisch, spontan und überraschend. Und neu. „Solid Ground“Ich kann gut unter Zeitdruck arbeiten. Deadlines sind gut, sonst würde ich nur dasitzen und die Highlights der Western Bulldogs anschauen. Das bringt mich dazu, einen Song zu schreiben, den ich sonst vielleicht nicht geschrieben hätte. Die Zeile „When your whole world turns upside down, I’ll be your solid ground“ („Wenn deine ganze Welt auf dem Kopf steht, bin ich dein fester Boden“) wollte ich schon immer in einem Song verwenden. „Missing Piece“Ich habe ein Jahr lang an diesem Lied gesessen. Ich war unsicher, was die Leute davon halten würden. Wenn ein Stück Erfolg hat, ist das auf jeden Fall gut für das Selbstvertrauen, aber man weiß nie, was bei den Leuten wirklich ankommt oder ob sie einen bestimmten Sound, den man macht, nicht vielleicht satthaben. Viele meiner Songs haben einen bestimmten Sound – „Catalonia“ klingt vielleicht ein bisschen wie „Saturday Sun“ oder „Riptide“, „Missing Piece“ ein bisschen wie „Fire and the Flood“ – sie haben einen ähnlichen Rhythmus. Ich könnte mich fragen, ob ich meinen Sound vielleicht komplett ändern sollte, aber mir ist gleichzeitig auch klar, dass ich das Rad nicht völlig neu erfinden will. „Catalonia“Das ist wahrscheinlich der direkteste Song. Ich halte mich ein bisschen zurück, wenn es zu autobiografisch wird, aber ich wollte, dass es echt und authentisch wird und nicht wie eine Tourismuswerbung für Barcelona klingt. Also erzähle ich genau, was passiert ist. Da ist das gotische Viertel, in dem wir gelebt haben, wo wir Wermut getrunken haben und unter den alten Arkaden herumgelaufen sind, auf den Terrassen der Leute rumgehangen haben und auf Partys gegangen sind. Ich bin froh, dass ich einen weiteren Ukulele-Song habe, der in das gleiche Universum passt wie „Riptide“ und „Saturday Sun“. „Riptide“ wirft natürlich einen gewissen Schatten, aber es gibt ein Spektrum zwischen diesen drei Songs, sie sind irgendwie ein einheitliches Set. „Way That I’m Going“Wenn man wie ein Mechaniker denkt, kann man ein Teil nehmen, es woanders einbauen und es wird funktionieren. Wenn es um Songwriting geht, bin ich nicht sehr romantisch und mystisch. Man kann Teile aus einem Song nehmen und sie in einen anderen Song einbauen. Es ist ein Song über meine Freundin. Wir haben den gleichen Musikgeschmack; sie reagiert ähnlich wie ich, wenn ich Lieder höre, die mich emotional bewegen. Wenn ich ihr also einen neuen Song von mir vorspiele und er ihr gefällt, gibt mir das viel Selbstvertrauen. „Every Side Of You“Meine Schwester und ich haben im Lockdown haufenweise „Die Sopranos“ gesehen. Tony Soprano sagt zu seinem Therapeuten: „Was ist aus Gary Cooper geworden, dem starken und schweigsamen Typ?“ Ich weiß nicht, ob ich je der starke und schweigsame Typ war, aber ich habe mich in den letzten Jahren und in letzter Zeit definitiv verändert. Ich habe einige Türen in mir geöffnet, bin offener, entspannter und liebevoller geworden. Das betrifft auch das Getrenntsein – da gibt es diese Süße und Spannung. Wenn man nicht auf Tour ist, ist man sechs Monate lang jeden Tag zu Hause und dann ist man acht Wochen lang weg. Das kann schwierig sein. Aber es gibt dem Song diese Push-and-pull-Energie. „Clarity“Ein fröhliches und poppiges Stück. Dan Wilson sagt, wenn es überhaupt einen Song gibt, der einem ein wenig zu poppig vorkommt oder bei dem man nicht sicher ist, weil er ziemlich direkt ist, dann ist das wahrscheinlich die Single. Dieses Gefühl hatte ich bei „Clarity“. Als wir den Song fertig hatten, sagte Joel [Little, Produzent], er könne sich den Sound genau vorstellen. Und als er den Song fertig produziert zurückschickte, war das wie eine Explosion. Das hatte ich nicht kommen sehen. In der ursprünglichen Sprachnotiz war ich als Mundtrompeter zu hören. Er hat sogar meine eher bescheidene Mundtrompete im Original-Demo gesampelt und sie durch eine echte ersetzt. „Wavelength“Dieser Song ist sehr experimentell. Ich hatte ein paar Schreibsessions mit Dave [Longstreth] von den Dirty Projectors und den Jungs von Take A Daytrip. Ich habe einfach ins Mikrofon gemurmelt und sie haben die besten Melodien ausgewählt. Das war so ganz anders als die typische Art, wie ein Song von mir entsteht – es war ein völlig offenes und kreatives Experiment. Ich bin gespannt, wie die Leute auf diesen Song reagieren werden, denn er ist ziemlich einzigartig und anders. Es ist wahrscheinlich der zufälligste und kühnste Song auf einem meiner Alben, aber es ist immer gut, ein Risiko einzugehen. „Boardwalk“Ein Patchwork aus verschiedenen Inspirationen. Bruce [Springsteen] hat in seinem Buch [„Born to Run“] viel über Boardwalks gesprochen. Es geht um die Idee, sich eine kleine Blase außerhalb des Wahnsinns und der großen, bösen Stadt zu schaffen und dort in aller Ruhe anzukommen. Vor der Pandemie hatte ich eine Phase, in der ich mir im Flugzeug Paul Newman-Filme ansah. Ich sah mir „Die Farbe des Geldes“ an, der mich zu der Zeile „If you need the words, I’ll say them“ („Wenn du die Worte brauchst, sage ich sie“) inspirierte. Ich bin froh, dass ich nicht mehr mit dem Flugzeug fliege, denn dann hätten meine Songs wahrscheinlich einen anderen Weg eingeschlagen. Vielleicht musste ich introspektiver werden, statt Dinge aus Filmen zu übernehmen. „Looking At Me Like That“James [Earp] und ich kamen zufällig beide mit der exakt gleichen Akkordfolge in die Schreibsession. Ich hatte eine Zeile in meinem Telefon: „Don’t stop looking at me like that“ („Hör nicht auf, mich so anzusehen“). Ich dachte über die Dynamik eines Paares nach und über die Hoffnung, dass die Art, wie du angesehen wirst, anhält. Es ist etwas anders als einige der Sounds, die ich bisher verwendet habe, und ich denke, es funktioniert. „This One“Das ist eine wahre Geschichte. Die rote Regenjacke und die kurzen braunen Haare im Text, das war das erste Mal, als ich meine Freundin traf. Es gibt echte und autobiografische Momente, aber auch ein paar Ausschmückungen, ein Song kann ein Eigenleben entwickeln. Mir gefällt die Zeile „a better way of waking up I’ll never find“ („eine bessere Art, wach zu werden, werde ich niemals finden“). „Daylight“Das war in den ersten Tagen des Lockdowns, als wir noch jeden unserer Einkäufe penibel abwuschen. Die einzigen sozialen Kontakte, die ich hatte, waren Online-Quizabende mit Freunden. Der Quizabend gab mir einen solchen Energieschub, dass ich zum Klavier ging. Bis dahin war ich nicht sehr kreativ oder produktiv gewesen. Ich habe tatsächlich einen Titelsong für unser Quiz geschrieben und danach dachte ich: „Okay, ich kann wieder Songs schreiben, auch wenn es nur um ein Quiz geht.“ Also schrieb ich eine Melodie auf dem Klavier – ich dachte, die Zeilen über Spaziergänge in Barcelona wären vielleicht ein bisschen abgedroschen, aber dann merkte ich, dass der Bezug auf Sachen, die passiert sind, die meiste Resonanz erzeugen.

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