The Ballad Of Darren

The Ballad Of Darren

Das erste Album von Blur seit „The Magic Whip“ aus dem Jahr 2015 erschien zwei Wochen nach ihren zwei gloriosen Reunion-Shows im Wembley-Stadion. Dennoch steht „The Ballad Of Darren“ nicht unbedingt im Zeichen des Feierns. Vielmehr stellt das Album Fragen, die eine:n im mittleren Alter beschäftigen: Wo stehen wir jetzt? Was bleibt? Wer bin ich geworden? Das Ergebnis ist ein Album, das von Verlust und Herzschmerz geprägt ist. „Ich bin traurig“, sagt Damon Albarn zu Matt Wilkinson von Apple Music. „Ich bin offiziell ein trauriger 55-Jähriger. Es ist in Ordnung, traurig zu sein. Es ist fast unmöglich, mit 55 Jahren keine Traurigkeit in seinem Leben zu haben. Wenn du es geschafft hast, 55 Jahre alt zu werden – ich kann nur für mich sprechen, weil ich es bis hierhin geschafft habe – und keine Traurigkeit in deinem Leben zu haben, dann hattest du ein gesegnetes, bezauberndes Leben.“   Die Songs wurden ursprünglich von Albarn konzipiert, als er im Herbst 2022 mit Gorillaz auf Tournee war, bevor Blur sie Anfang 2023 in Albarns Studios in London und Devon zum Leben erweckten. Gitarrist Graham Coxon, Bassist Alex James und Schlagzeuger Dave Rowntree tragen mit ihrem Einfallsreichtum und ihren musikalischen Schattierungen zur intensiven Wirkung von Albarns Worten und Musik bei. In „St. Charles Square“, wo der Sänger allein in einer Kellerwohnung sitzt, die Konsequenzen und Geister seiner Vergangenheit spürt und von Bedauern und Versuchungen gequält wird, ächzt Coxons Gitarre vor Schmerz und erbebt vor Angst. „Das wurde unsere Arbeitsbeziehung“, sagt Coxon. „Ich musste aus dem Text, der Melodie oder den Akkordfolgen herauslesen, was das Ganze werden sollte – und versuchen, diesen emotionalen Impuls zu bündeln und mit Gitarren umzusetzen.“   Wenn Coxon, James und Rowntree sich nacheinander zu Albarn gesellen und die relativ optimistischen Rhythmen des Abschlussstücks „The Heights“ anstimmen, spürt man, dass sich die Band durch die Anwesenheit der anderen wiederbelebt hat. „Es war potenziell ziemlich beängstigend, in diesem Stadium der Karriere ein weiteres Album aufzunehmen“, sagt James. „Aber tatsächlich war es vom ersten Morgen an einfach mühelos, freudig und leicht. Als wir das erste Mal zu viert in einem Raum zusammenarbeiteten, schrieben wir einen Song, den wir heute noch spielen [„She’s So High“]. [Das gewisse Etwas] war sofort da. Und dann haben wir jahrelang jeden Tag stundenlang damit gearbeitet. 15 Jahre lang haben wir nichts anderes gemacht und wir haben es immer wieder aufgegriffen. Was wir haben, ist etwas unglaublich Wertvolles.“   Die Verbindung der vier untereinander mag gesund sein, „The Ballad Of Darren“ vermittelt hingegen ein starkes Gefühl der verlorenen Verbindungen. Im verträumten, pianodominierten „Russian Strings“ fragt Albarn in Belgrad: „Where are you now?/Are you coming back to us?/Are you online?/Are you contactable again?“ („Wo bist du jetzt? / Kommst du zu uns zurück? / Bist du online? / Bist du wieder erreichbar?“), bevor er die Frage nachschiebt: „Warum redest du nicht mehr mit mir?“, während „Goodbye Albert“ von Elektroimpulsen und einem eigenwilligen Walzer begleitet wird. Am deutlichsten wird der Herzschmerz in „Barbaric“, wo sich Coxons fröhlich klingelnde Jangle-Gitarre durch den Schock und die Ungewissheit der Trennung zieht: „We have lost the feeling that we thought we’d never lose/It is barbaric, darling“ („Wir haben das Gefühl verloren, von dem wir dachten, dass wir es nie verlieren würden / Es ist barbarisch, Liebling“). So intim sie auch sein mögen, lassen Albarns Betrachtungen meist genug Raum für eigene Interpretationen. „Deshalb schreibe ich auch so gerne Texte“, sagt er. „Es geht darum, genug Raum zu lassen, damit sie für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben können.“   In „The Heights“ hat man das Gefühl, dass einige Verbindungen wieder gekittet werden können, vielleicht in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort oder in einer anderen Dimension. Am Ende singt Albarn: „I’ll see you in the heights one day/I’ll get there too/I’ll be standing in the front row/Next to you“ („Eines Tages werde ich dich auf einer höheren Ebene sehen / Ich werde auch dorthin gelangen / Ich werde in der ersten Reihe stehen / neben dir“) – und versetzt uns damit in einen Gig, genau wie es der Opener „The Ballad“ mit Coxons Zeile „I met you at an early show“ („Ich habe dich bei einem frühen Konzert getroffen“) tut. Der Song steuert auf ein disharmonisches Finale mit zuckenden Gitarren zu, das nach ein paar Sekunden abrupt endet und einen in Stille zurücklässt. Es ist ein Gefühl, als würde man aus etwas Fesselndem und Intensiven herausgeschleudert. „Ich denke, diese Songs beginnen fast mit einer Unschuld“, sagt Coxon. „Es findet eine Art Vernichtung dieser Charaktere statt, die man von Schriftsteller:innen wie Paul Auster kennt, wo diese Figuren durch das Leben gehen, so wie wir alle durch das Leben gehen, und dann irgendwie ausgespuckt werden. Der Unterschied zwischen dem Konzert am Anfang und der ersten Reihe am Ende ist sehr groß – die Gefühlswelt, in der sich die Figur befindet, hat sich komplett geändert. Sie ist fast wie ein Geist, sie ist kein unschuldiger junger Mensch mehr. Und das sagt etwas über die Reise des Albums aus.“

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