hugo

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Loyle Carner hat immer schon alles, was er im Leben durchgemacht hat, in seiner Musik verarbeitet. Manchmal wünscht sich der Rapper und Songwriter aus dem Süden Londons, er könnte ein paar Geschichten erfinden, um solche Sachen für sich zu behalten, aber so funktioniert das nicht für ihn. „Das ist das Einzige, was mich zum Schreiben inspiriert“, sagt er gegenüber Apple Music. Nach der Veröffentlichung seines zweiten Albums „Not Waving, But Drowning“ im Jahr 2019 fühlte er sich uninspiriert, doch die Nachricht, dass seine Freundin schwanger war, öffnete die kreativen Schleusen. Herausgekommen ist „hugo“, ein bemerkenswertes Album, auf dem Carner nicht nur über das Leben als frischgebackener Vater nachdenkt, sondern auch sein getrübtes Verhältnis zu seinem eigenen Vater aufarbeitet. „Es war wirklich hilfreich, den Freiraum zu haben, in dem ich darüber schreiben und in Echtzeit meine Gedanken sortieren konnte“, sagt er. „Aber manchmal war es auch ziemlich anstrengend. Manchmal war es gut, manchmal war es hart.“ Das macht das Zuhören zu einem erhellenden Erlebnis. Lass dich von ihm durch das Album führen, Track für Track. „Hate“ Das war sehr schnell fertig, ein einziger Gedankenstrom. Es ist keine große Hit-Single, aber sie fasst zusammen, wo ich zu Beginn des Prozesses stand, und der Song konnte nirgendwo anders landen. Er musste das Erste sein, was die Leute von dem Album hören. Wenn du das Album in die Hand nimmst, möchte ich, dass du mit mir auf eine Reise gehst, denn ich habe es in einer schlechten Verfassung angefangen und in einer guten abgeschlossen. Ich möchte, dass die Leute das mit mir zusammen erleben. „Nobody Knows (Ladas Road)“ Ich glaube, das war der erste Song, den ich für das Album geschrieben habe. Das war vor dem Lockdown, noch bevor ich erfuhr, dass meine Freundin schwanger war. Ich hatte schon über viele Themen auf dem Album nachgedacht, und das war das erste Mal, dass mir etwas eingefallen ist und ich dachte: „Okay, das ist der Anfang eines neuen Projekts. Ich merke, dass ich hier eine Idee habe.“ Ich habe versucht, die Songs, die ich am Anfang des Prozesses gemacht habe, an den Anfang des Albums zu stellen. Es ist ziemlich autobiografisch und man braucht einen roten Faden, es müssen Kapitel einer Geschichte sein. „Georgetown“ (feat. John Agard) Den Song hat Madlib produziert. Ich hatte es für ein Projekt mit ihm aufgehoben. Ich habe eine Menge Musik, die wir zusammen gemacht haben, und wir wollten ein MadLoyle-Tape machen – was ein Traum für mich wäre. Aber ich habe es meinem Freund Mike vorgespielt, der als A&R und Mitstreiter an diesem Projekt gearbeitet hat, und er meinte: „Du musst das auf das Album bringen. Es ist zu gut, um es aufzubewahren, nur um es vielleicht später zu veröffentlichen.“ Ich glaube, der Song erzählt die gleiche Geschichte wie der Rest des Albums. Es war wirklich nah an „Nobody Knows“, aber das eine ist selbstironisch und das andere selbstbewusst und voller Selbstvertrauen. Sie passen sehr gut zusammen. „Speed Of Plight“ Ich war im Studio mit Rebel Kleff, mit dem ich schon lange zusammenarbeite, sowie mit Jordan Rakei und Nick Mills, meinem Toningenieur und guten Freund. Es ging ziemlich schnell, wie vieles auf diesem Album. Es war eine große Befreiung, sich so richtig austoben zu können, keine Angst zu haben, etwas aggressiver zu sein, etwas frustrierter zu sein, ein Ventil zu haben, um sich Luft zu machen. Das ist es, was dieser Song wirklich war. „Homerton“ Mein Sohn wurde in Homerton [im Osten Londons] geboren. All diese Lieder sind kleine Abschnitte einer Reise zwischen mir und meinem Vater und dem Punkt, an dem ich mich befand. Ich habe meinen Vater immer als unvollkommen empfunden, und in den ersten paar Tracks des Albums ist er für mich sehr unvollkommen. „Homerton“ ist der Mittelteil des Albums, in dem ich anfange, meinen Sohn zu betrachten, und in dem ich mich als Vater endlich auch als unvollkommen erkennen kann. Dann beginne ich zu verstehen, wo mein Vater stand und wie schwierig es ist, ein Elternteil zu sein, und dass niemand ein schlechter Mensch ist. Menschen treffen schlechte Entscheidungen und manche Menschen haben keine Handhabe, um mit den Dingen umzugehen, die ihnen widerfahren. „Blood On My Nikes“ Nach „Homerton“ dachte ich: „Okay, aber was passiert, wenn mein Sohn in der Gegend aufwächst, in der wir leben?“ Als ich diesen Song schrieb, wurde in der Nähe der Schule, in der meine Freundin unterrichtet, ein Junge wegen eines Paars Schuhe ermordet, und das hat mich sehr bewegt. Ich war wirklich überrascht, wie abgestumpft ich gegenüber diesen Geschichten und dem Verlust in den Gemeinden, in denen ich aufgewachsen war, geworden war. Es war wichtig, über diese Geschichte nachzudenken, die von vielen Künstler:innen erzählt wird, aber in meiner Sichtweise und mit meinen Worten. Ich habe [den Aktivisten und Schriftsteller] Athian Akec angeheuert, damit er mir hilft, mit seiner Stimme zu einer jüngeren Generation zu sprechen, und darüber zu reflektieren, wie viele junge Menschen wir verlieren und dass die Musik nicht das Problem ist. „Plastic“ Am Ende von „Blood On My Nikes“ sagt Athian wortgewaltig, dass er die Regierung nicht respektiert und dass wir politisch und gesellschaftlich nicht gut genug dastehen und uns auf die falschen Dinge konzentrieren. „Plastic“ ist meine Version seiner Rede, in der ich die großen Unternehmen angreife, die Fehler machen, und sie zur Rechenschaft ziehe. Aber ich mache auch die Gesellschaft und mich selbst dafür verantwortlich, weil ich den Schwerpunkt auf das Falsche gelegt habe, indem ich schöne, auffällige Turnschuhe und ein neues iPhone wollte, anstatt auf das Wesentliche zu achten. Na ja, ich liebe mein iPhone, also sollte ich still sein. Aber es geht darum, die Balance zwischen Seele und Kommerz zu finden. Ja, jeder muss Geld verdienen und leben, aber wir müssen auch einfach mal einen Schritt zurücktreten, in die Natur gehen und entspannen und nicht so viel Wert auf materielle Dinge legen. „A Lasting Place“ Ich habe kürzlich ein Buch von Philippa Perry gelesen, das den Titel „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)“ trägt. Darin geht es zum großen Teil um Streit und Versöhnung und die Idee, dass du dein Kind an einem schlechten Tag anschreist. Das ist unvermeidlich, denn Menschen werden wütend. Aber die Versöhnung ist das Wichtigste: Du musst zu deinem Sohn oder deiner Tochter gehen und sagen: „Hey, Papa hat einen miesen Tag und ich habe es an dir ausgelassen, das ist nicht richtig. Du hast dich bestimmt wie X, Y, Z gefühlt, und ich entschuldige mich dafür.“ Darum geht es in diesem Song: Fehler zu machen und zu sagen: „Es ist okay.“ „Polyfilla“ Gegen Ende von „A Lasting Place“ fühlt es sich an wie: „Okay, ich habe es geschafft, ich bin ein Vater, ich bin brillant, ich bringe meine Fehler in Ordnung. Ja, ich hab’s im Griff.“ Und „Polyfilla“ ist der harte Aufprall auf den Boden der Tatsachen, wenn ich wieder einen Fehler mache oder die Beherrschung verliere oder frustriert bin oder meinen Sohn zu spät abhole oder was auch immer es ist. Ich kämpfe mit dem Gedanken: „Mann, vielleicht bin ich nicht dafür gemacht.“ Die Angst vor dem Hochstapler-Syndrom: „Vielleicht bin ich kein guter Vater. Vielleicht bin ich kein guter Mensch.“ „HGU“ Hier geht es darum, meinem Vater zu vergeben, und um Vergebung im Allgemeinen. Dabei geht es nicht einmal darum, ihm zu vergeben, sondern mir selbst: „Wenn ich an diesem Ballast festhalte und ihn mein ganzes Leben mit mir herumtrage, zieht er mich runter.“ Ich habe so viel aus dem Hip-Hop mitgenommen, dass ich etwas zurückgeben wollte. Im Rap sagen alle anderen: „Wenn dein Vater dich im Stich gelassen hat und er ein Mistkerl ist, musst du ihm nicht vergeben, lass dich einfach von dieser Wut leiten.“ Ich denke, das ist bis zu einem gewissen Grad cool, aber es kann dich lähmen, wenn es über die erste jugendliche Rebellion hinausgeht. Es ist eine nette kleine Botschaft am Ende, dass wir im Auto sitzen. Das Album heißt „hugo“, weil das Auto meines Vaters Hugo hieß und er mir das Autofahren während des Lockdowns beigebracht hat. Es ist nur eine kleine Geschichte, aber mit einigen großen Themen.

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