Vollmond

Vollmond

„Vollmond“ ist Kontra Ks neuntes Album. Im letzten Jahr ist ein 20 Songs umfassender Langspieler mit zwei Hälften entstanden, die alle Stärken des Berliners vereinen. So ist „Vollmond“ vielleicht das definitive Kontra K-Projekt geworden. Ein mehr als guter Grund, um mit einem der erfolgreichsten deutschen Rapper der Gegenwart zu sprechen. Erwischt haben wir den rastlosen Künstler, während er mit Freunden Mobiliar für seinen Tattooshop kaufte. Der Umstand, dass ein tiefes Gespräch am Telefon entstand, während Kontra einem seiner zahlreichen bodenständigen Neben-Businesses nachging, sagt an sich schon etwas aus über den Menschen hinter der Musik und die Kunst, die er macht.Würdest du dieses Album, insbesondere einen Song wie „Sirenen“ und Zeilen wie „Nehmt den Königen die Krone und teilt“ als politisch einordnen?Der Song war ursprünglich gar nicht politisch gedacht, der ist ja schon ein wenig älter ... Aber er ist es geworden. Eigentlich steckt hinter diesem Track vor allem dieser klassische Robin Hood-Gedanke, den ich dort romantisch gemalt habe. Natürlich ist es ein bisschen Aluhut-mäßig und simpel von mir zu sagen: Ja, die Banken sind schuld, aber am Ende des Tages hätte ich echt kein Problem damit, den Banken ihr Geld zu nehmen und es unter den Armen zu verteilen.Was kann man deiner Meinung nach abseits dessen noch machen, wenn man wie du gut genug verdient, um in unserer Gesellschaft weniger gut gestellten zu helfen?Man sollte versuchen, mittelständische Unternehmen zu unterstützen. Wenn du beim Bäcker nebenan kaufst oder zum Tischler gehst statt zu Ikea und zum lokalen Bauern statt dir bei Aldi die Scheiße zu kaufen, auf die sie Bio rauf drucken, dann hilft das schon was. Das klingt nach verhältnismäßig wenig, ist aber eigentlich schon eine ganze Menge. Generell: Es fängt bei den Kleinigkeiten an – aber wenn ich das Patentrezept hätte, wäre ich natürlich Politiker und kein Rapper. Am wichtigsten ist am Ende Bildung, aber dafür macht die Politik zu wenig.Ein Thema, das dir definitiv wichtig ist: Solidarität. Auf dem Album redest du viel über dieses toxische „Jeder-für-sich“ in unseren Gesellschaften, aber du versuchst deinen Fans ja etwas anderes vorzuleben, unter anderem indem du immer noch Songs mit den Jungs machst, mit denen du angefangen hast zu rappen. Wie schafft man es, lange miteinander gut zu bleiben?Ich hab viele Macken. Aber wenn du die kennst und trotzdem mit mir klarkommst, dann weißt du auch, dass ich dein bester Freund sein kann. Und das Gleiche weiß ich auch über meine Freunde. Und: Ich hab meine Leute nicht vergessen. Ich kauf mir nicht einfach die fette Uhr, ich denke an uns alle. Ich sorg dafür, dass es allen gut geht, nicht nur mir. Weißt du, ich krieg von Mercedes so‘n Auto hingestellt und solche Sachen, aber ich schwebe nicht im Luxus und lasse meine Jungs verrotten. Das ist natürlich eine Kunst – niemanden zu vergessen –, aber das versuche ich halt. Jeder soll einen Job haben, etwas zu tun, und dafür auch entlohnt werden. Jeder, der was anderes behauptet, ist ein Kek – oder kennt mich nicht. Wenn ein Freund einen Umzug hat, dann bewegt auch Kontra seinen Arsch dahin und hilft oder malert die Wohnung. Klar, ich könnte mir jetzt Freunde suchen, die mir nur nach dem Mund reden, aber ich hab lieber die, die mir auch sagen: „Sorry, du benimmst dich gerade daneben“, wenn ich bei so was zum Beispiel nicht helfe, damit ich wieder auf den Boden der Tatsachen komme.Am Ende des Albums steht der Song „Lass mich lieber allein“. Triffst du damit das Fazit, dass Einsamkeit dir auf der anderen Seite auch gut gefällt?Schon, ich finde, man muss gut mit der Einsamkeit umgehen können. Wer nicht gut alleine sein kann – der kennt sich selbst nicht, der weiß nicht, wie er selbst ist. Ich denke, erst wenn du gut mit dir allein sein kannst, kannst du auch wirklich gut zu anderen sein. Sonst wirst du dich immer von irgendwas abhängig machen. Mir geht’s nicht darum zu sagen: Alleine komm ich besser klar, überhaupt nicht. Aber für mich ist dieser Song auch eigentlich eher eine Beschreibung dieser Situation, wenn du einen schnellen Hype und viel Erfolg hast. Die meisten Menschen, insbesondere heutzutage, die entdecken dich, zum Beispiel als Star am Journalistenhimmel, und wollen dich für sich haben. Also finden sie dich nicht mehr ganz so geil, wenn andere dich für sich entdecken – und irgendwann kommt dann der Punkt, an dem alle diese Leute gemeinschaftlich merken: Ey, sein Kopf hat eigentlich die perfekte Höhe für den Galgen – und dann wirst du gehängt. Es gibt natürlich auch Leute, die unverzeihliche Fehler machen und dafür zu Recht die Quittung bekommen, aber es gibt auch viele, die für kleinere Fehler direkt geköpft werden – das hustlen, das finden alle okay, aber den Erfolg, den nicht. Solche Menschen brauch ich nicht und will ich nicht. Für alles andere bin ich aber dankbar.Hast du denn noch Angst vor dem Fall? Davon sprichst du ja auch in dem Song ...Ich glaube, fallen kannst du immer. Das könnte mir egal sein, aber dann wäre ich arrogant. Oder ich habe eben ausgesorgt und mir ist es deshalb egal – aber das ist Quatsch, darum geht’s mir nicht. Wofür machst du das, was du machst, denn eigentlich? Wir sind doch am Ende alle Anerkennungsjunkies. Ich wurde als Kind nie genug beachtet und irgendwie bin ich deshalb dann Rapper geworden und besonders gut darin. Ich bin auch gut als Boxer geworden, weil mir diese Anerkennung wichtig ist. Und wenn die Leute ehrlich zu sich selbst sind und mit sich selbst sprechen, wenn sie alleine sind, dann werden sie sich eingestehen können: Ihnen geht’s am Ende genauso. Wir wollen ein bisschen lieb gehabt werden. Ob das nun von vielen Menschen ist oder wenigen ausgewählten – das Ego will gestreichelt werden, du willst diese Anerkennung. Manche brauchen das eben ein bisschen mehr, weil sie als Kinder wenig Anerkennung bekommen haben. Und selbst, wenn man diesen Punkt außer Acht lässt: Natürlich will man sich eine Legacy schaffen. Irgendwann, wenn du eine Sache lange genug machst, geht es ja nicht mehr darum, Anerkennung zu bekommen, sondern eher um die Frage: Was habe ich alles geopfert, um hierhin zu kommen? Wie viele Freunde, wie viel Familie ist auf der Strecke geblieben? Wie viele Leute haben sich für mich aufgebraucht, die Füße und die Hände verbrannt? Und jetzt steh ich hier und habe eine Verantwortung dafür. Das, was wir aufgebaut haben, das muss bleiben, das kann nicht einfach aufhören. Natürlich, irgendwann gehst du zwangsläufig. Aber du kannst eben cool gehen oder scheiße – und das ist die Kunst: einen guten Abgang zu finden. Ich weiß nicht, ob ich schon im letzten Drittel meiner Karriere bin oder irgendwo auf der Hälfte. Aber irgendwo auf dieser Skala bewege ich mich.Weißt du, was deine Legacy mal sein soll, wenn du irgendwann aufhörst, Kontra K zu sein?Du, das weiß ich nicht. Das sollen die Leute sagen. Wenn ich’s wüsste, würde ich mich doch selbst so gerne hören, dass ich mir darauf einen keule, wie geil ich rede. Am Ende: Hauptsache was Nettes. Weißt du, ich versuch ein guter Mensch zu sein, dem man nichts ankreiden kann, der jeden gleich cool behandelt – so möchte ich in Erinnerung behalten werden. Ein cooler Mensch, der vielleicht gute Musik gemacht hat, der krasse Konzerte gespielt hat – das reicht mir.

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