Spirituals

Spirituals

Santi Whites viertes Album „Spirituals“ entstand größtenteils in einer abgeschiedenen Hütte, etwa eine Stunde außerhalb von Vancouver. „Es gab nur mich, einen Specht und ein paar Hühner“, erzählt sie Apple Music. Nach einer langen, pandemiebedingten Isolation, in der sie im Haus festsaß und sich um ihre drei Kinder kümmerte, fühlte sich White von sich selbst und ihrer Kunst so weit entfernt, wie man es sich nur vorstellen kann. „Ich hatte das Gefühl, als wäre die Kunst meine einzige Möglichkeit, zu mir selbst zurückzufinden“, sagt sie. „Sie war also eher eine Art Rettungsring für mich.“ Wie alle Platten von White ist auch „Spirituals“ schrill, punkig und vielseitig. Das Album schlägt eine Brücke zwischen den Team-ups mit Rostam Batmanglij und The Weeknd-Kumpel Illangelo, Dance-Produzent SBTRKT und Yeah Yeah Yeahs-Gitarrist Nick Zinner. Gleichzeitig vermittelt es eine gewisse Schwere, die sich neu und erlösend anfühlt. Der Titel des Albums war schnell gefunden: „Mir wurde bewusst, dass die Lieder eine ähnliche Wirkung auf mich haben wie traditionelle Spirituals auf Sklav:innen“, sagt sie. „Sie ermöglichten mir, Freiheit und Transzendenz zu erfahren und mich durch die Musik weiterzuentwickeln.“ Der Vogel war sowohl ein willkommener Besucher als auch eine Art Leitfigur. „Das Interessante am Specht ist, dass er unter der Oberfläche wühlt, als wolle er etwas Tieferes erreichen“, sagt sie. „Manchmal picken sie nicht einmal nach Nahrung. Sie klopfen dann nur, um einen Partner zu finden. Ich habe viel darüber nachgedacht, meinen eigenen Rhythmus zu finden. Darum ging es – meinen Rhythmus in dieser verrückten, turbulenten Zeit neu zu definieren.“ Hier gibt Santigold Track für Track einen Einblick in die Stimmung und Entstehung von „Spirituals“. „My Horror“ Es geht darum, dass ich in einer Rolle feststeckte, die einfach zu klein war, um meine komplette Persönlichkeit unterzubringen. Nehmen wir als Beispiel den Lockdown: Die ganze Zeit war ich nur mit meiner Mutterrolle beschäftigt – abwaschen, Windeln wechseln, kochen und putzen. Und das war's. Keine Zeit zum Nachdenken, keine Zeit zum Duschen, keine Zeit zum Schlafen. Ein Überfluss an Aufgaben und die Tatsache, dass ich nicht die Möglichkeit hatte, der Mensch zu sein, der ich bin. Aber es geht auch um das Leben in einer Welt, in der alles so schwer ist, dass die Menschen sich dazu entschließen, sich zu disconnecten. Entweder, indem sie im Metaversum leben, Drogen nehmen oder einfach nur tief in den sozialen Medien verharren, anstatt in der realen Welt. Wie ist es, wenn alle um einen herum zombieartig durchs Leben gehen – wenn man eine Existenz führt, in der niemand wirklich verbunden ist? Ich habe eine Reihe von Fotos gemacht, die ich meine Mom-Serie genannt habe. Auf einem stehe ich mit meinen Kindern verschleiert vor dem Kühlschrank. Auf einem anderem bin ich mit meinen Kindern am Pool. Sie schwimmen und ich stehe daneben – total aufgedreht mit einem Drink in der Hand. „Nothing“ Wenn du eine Schwarze Frau bist, wenn du eine Frau bist, wenn du irgendjemand bist, der sich jemals ungesehen gefühlt hat: Wie wirkt sich das auf dich aus, wenn du täglich damit lebst? Wie beeinflusst das, was einmal aus dir wird? Ob als Kind oder später – was sind die Dinge, von denen man nicht einmal wusste, dass man sie in sich trägt? „Nothing“ spricht all das auf eine sehr persönliche Art und Weise an, die mich wirklich mit [Black Lives Matter] und dem Kampf da draußen verbunden hat. Ich habe geweint. Ich war endlich in der Lage, meine Gefühle zu zeigen. Das fühlte sich sehr gut an. „High Priestess“ Ich wollte einen Song machen, der sich auf eine futuristische Art punkig anfühlt. Ich habe viele verschiedene Dinge ausprobiert, um die Energie richtig zu treffen, darunter auch ein paar wirklich schlechte Tricks mit der Gitarre und so, die ich sofort wieder rausgenommen habe. Ich versuche immer Dinge zu verwenden, von denen man nie erwarten würde, dass sie zusammenpassen, und einen Weg zu finden, sie zu verbinden. Ich denke, das ist es, was Spannung erzeugt – für mich als Musikerin und auch für die Hörer:innen. „Ushers of The New World“ Der Song handelt von der Verantwortung, die wir für die Zukunft übernehmen. Anstatt zu versuchen, die Leute niederzumachen, weil sie sich unwohl fühlen, sollten wir uns selbst anschauen und sagen: „Hey, ich fühle mich unwohl. Woher kommt das? Was ist mein Trauma? Wie kann ich das überwinden?“ Ich glaube, das ist der Weg, um eine Zukunft zu schaffen, die erstrebenswert ist. Ich habe eine Menge gelesen. So viele Bücher wie seit Langem nicht mehr – ich lese normalerweise nicht, weil ich so viele Kinder habe. Seit Hunderten von Jahren konzentrieren wir uns auf die Politik und Gesetze und wir sind nicht annähernd so weit gekommen, wie wir müssten. Wir müssen anfangen, uns auf unsere Traumata zu konzentrieren und darauf, was wir mitbringen. Wir müssen in der Lage sein, das zu verarbeiten, um am Ende zusammenzuarbeiten. „Witness“ Ich wollte eine ätherische Qualität in vielen der Songs haben. „Witness“ hat diese Qualität. Es ist fast so, als ob man sich durch die Dimensionen bewegt oder als ob man in einem Netz zwischen den Dimensionen feststeckt. „Shake“ Der Song war eine echte Überraschung. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir so einen Beat aussuchen würde. Ich habe einfach angefangen zu singen: „Shake/Ooh, shake“. Das war keine Stimmlage, die ich zuvor in einem Song verwendet habe – und er klingt auch nicht wie etwas, das ich jemals geschrieben habe. Diese Energie ist fast, als wäre man vollkommen entrückt. „The Lasty“ Der Song erzählt eine fiktive Geschichte, die auf George Floyd basiert. Ich habe mir eine Figur ausgedacht, einen ganz normalen, unauffälligen Menschen – ein Mensch, den niemand beachtet hat. Alle anderen Leute überholen ihn wieder und wieder. Er hat seine Macht noch nicht erlangt. Und dann ergibt sich plötzlich die Gelegenheit, dass er derjenige sein könnte, der alle rettet. „Lasty“ ist ein Wort, das ich erfunden habe. Es hat eine doppelte Bedeutung. Es beschreibt die Person, die als letztes kommt und alle anderen überdauert. „No Paradise“ Ja, wir haben gekämpft. Die Situation ist hart und ehrlich gesagt kämpfen wir seit Generationen. Das alles ist aber nicht umsonst. In diesem Kampf liegt Kraft. Es gibt eine Widerstandsfähigkeit, die sich immer wieder zeigt. Ich liebe die Bridge dieses Songs, weil sie für mich nach einem Protest klingt – nach einer Feier des Kampfes. Und natürlich bezieht sie sich auf die alte religiöse Vorstellung von einem Leben nach dem Tod, in dem man schließlich mit Frieden und Reichtum belohnt wird. Aber es geht auch um die Veränderungen, die man in der Gegenwart vollziehen muss. „Ain't Ready“ Als Kind bin ich meistens mit meiner Mutter in die Kirche gegangen und mochte das nicht besonders. Ich fand ihre Kirche langweilig und abgestanden. Sie war nichts für mich. Aber die Familie meines Vaters stammte aus Baltimore. Seine Großmutter war Pastorin und meine Großtante war die Organistin – diese Kirche war großartig. Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal in einer Kirche wart, in der alle Platzanweiser weiß gekleidet sind, die Musik lief und die Leute den Heiligen Geist empfingen. Manche sprechen in Zungen, andere fallen in Ohnmacht und die Aufgabe der Platzanweiser ist es, sie hochzuhalten und ihnen Luft zuzufächeln, während sie entrückt sind, wisst ihr? Ich stellte mir also vor, wie diese Platzanweiser eine Frau festhalten. Die Frau ist dabei aufzusteigen und sie fällt in Ohnmacht. Und diese Frau bin ich, aber die Platzanweiser sind auch ich. Es ist also ein Lied an mich selbst. Wie: Du hast, was du brauchst, um alles zu tun, was du hier tun musst. „Fall First“ Den Song „Fall First“ habe ich mit Doc McKinney begonnen, einem meiner ältesten Schreibpartner. Wir sind im Herzen alte Punker. Wir fingen also mit „Fall First“ an und beschlossen, einfach zu machen, was wir wollten. Später habe ich es an Rostam weitergegeben. Er hat so einen guten Geschmack und albert gerne herum. Er hat den Song einfach überallhin gebracht.

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