SANTIAGO

SANTIAGO

Russ veröffentlicht seit Anfang der 2010er-Jahre Musik, doch mit seinem 16. Album in voller Länge startet der MC, Produzent und Songwriter neu durch. „Es fühlt sich an wie mein Debütalbum“, berichtet er Zane Lowe von Apple Music. „In gewisser Weise ist es so. Diese Seite von mir hat man noch nie gehört.“ Auf „SANTIAGO“ verbindet Russ seine klarsichtigen Beobachtungen über sich selbst und seinen Platz in der Welt mit Musik, die ihre Form verändert und sich zu Momenten der Schönheit entwickelt. Das gelingt ihm mit orchestralen Schnörkeln und kompliziertem Fingerpicking sowie nicht zuletzt den Naturgeräuschen, die das Album einrahmen. Wenn das Album manchmal einer stark vereinfachten Therapiesitzung ähnelt, ist das kein Zufall. „Ich habe in meinem Studio über Zoom eine Therapie gemacht, direkt neben dem Mikrofon“, erzählt er Lowe. „Ich habe eine Therapie gemacht und mich dann nur zum Mikro gedreht. Das Album ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Therapie.“ Im nachdenklichen „Fraud“ konfrontiert sich Russ beispielsweise mit seiner Neigung, anderen Menschen gefallen zu wollen, und stellt sich Fragen wie „Wer bin ich, wenn ich nicht perfekt bin?“ und „Wer bin ich, wenn ich Hilfe brauche, aber nicht darum bitten kann?“ Die Spannung des rasanten inneren Monologs wird durch einen langgezogenen Refrain unterbrochen, der fast beruhigend wirkt. „Schon seit meiner Kindheit gründe ich meine Identität darauf, anderen zu helfen und dafür zu sorgen, dass es allen gut geht“, sagt er. „Wenn man dann unweigerlich nicht alle retten kann, ist das eine Bedrohung für das eigene Selbst. Und als das passierte, bin ich zusammengebrochen.“ Russ’ Neigung, Menschen gefallen zu wollen, begann aufgrund seines chaotischen Familienlebens schon in jungen Jahren. Diese Neigung blieb als Erwachsener bestehen und erstreckte sich schließlich auf die Beziehung zu seiner Kunst und zu den Menschen, die sie konsumieren. Mit zunehmendem Erfolg wurde er, wie er es ausdrückte, von der „Jagd nach Trophäen“ aufgezehrt. „Ich wurde zum Sklaven meiner Selbstwahrnehmung“, sagt er. „Ich habe mich reingehangen, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hätte Halt finden können. Ich dachte: ‚Okay, das ist eine gute Identität. Es funktioniert.‘ Ich wusste es nicht besser. Das zu realisieren, ist extrem schwierig. Diesen Satz hätte ich vor zwei Jahren aufgrund der Omnipotenz nicht sagen können – ich habe es immer besser gewusst. Ich wusste immer alles.“ „I Love You Boy“, das Russ’ Leben bis zu den Tagen zurückverfolgt, als er „in einer feindseligen und wilden Umgebung aufwuchs“, setzt sich damit auseinander. „Omnipotenz ist das Gegenteil von Selbstvertrauen“, sagt er. „All diese Besserwisserenergie fußte wirklich auf Unsicherheit, weshalb ich diese zweite Strophe geschrieben habe: ‚Supreme confidence, deep crippling insecurities‘ (‚Überragendes Selbstvertrauen, tief lähmende Unsicherheiten‘) – es ist eine so bösartige Mischung.“ Ich hatte das größte Selbstvertrauen, war aber innerlich zutiefst unsicher darüber, wer ich war und was ich tun sollte; und in echter Männermanier tut man einfach so, als hätte man alles im Griff.“ „SANTIAGO“ zeigt Russ als jemanden, der sich die Welt in Echtzeit zusammensetzt und Zufriedenheit und Schönheit selbst in den Momenten findet, in denen die Suche nach Antworten schmerzhafte und hässliche Wahrheiten zutage fördert. „Ich bin an einem Punkt, mir einzugestehen, dass ich das Leben nicht durchschaut habe“, sagt Russ. „Ich versuche, es zu verstehen und mein Bestes zu geben. Und auf meinem Weg, herauszufinden, wie es im Leben läuft, erzähle ich euch, was mir – und hoffentlich auch euch – dabei helfen kann.“

Wähle ein Land oder eine Region aus

Afrika, Naher Osten und Indien

Asien/Pazifik

Europa

Lateinamerika und Karibik

USA und Kanada