Paint My Bedroom Black

Paint My Bedroom Black

Zimmer kommen an ziemlich vielen Stellen von Holly Humberstones Debütalbum vor – sogar im Titel, heißt das Album doch „Paint My Bedroom Black“. Das sei keine bewusste Entscheidung gewesen, sagt die britische Singer-Songwriterin. Es habe aber durchaus mit dem Entstehungszeitraum des Albums zu tun: 2022, während einer Tour. „Ich würde sagen, dass ich 90 Prozent des Jahres auf Achse war. Das gefiel mir sehr gut“, sagt sie gegenüber Apple Music. „Meine Lieblingsmomente waren im letzten Jahr! Aber so etwas ist auch eine emotionale Achterbahnfahrt: Reisen, in verschiedenen Städten sein. Ich hatte das Gefühl, ein seltsames Doppelleben zu führen – und meine Mühe, mit den Menschen zu Hause in Kontakt zu kommen. Ich verlor ein Stück weit das Gefühl für meine eigene Identität.“ „Paint My Bedroom Black“ wurde in „erdenden“ Sessions zwischen Tourtagen geschrieben. Das Album fängt Humberstones Sehnsucht nach den Menschen in der Heimat ein und ihre Schuldgefühle, nicht genug dort zu sein (siehe das selbstkasteiende „Antichrist“). Es berichtet aber auch von einer zaghaften neuen Liebe („Kissing In Swimming Pools“) und der einfachen Freude über das Wiedersehen mit jemandem, den man vermisst hat: „Room Service“ erinnert ein wenig an José González’ „Heartbeats“. Humberstone findet weiter zur Erkenntnis, dass man denselben Himmel sieht wie die Menschen, von denen man viele Kilometer weit entfernt ist („Superbloodmoon“ mit d4vd). Hier umarmt Humberstone den grüblerischen Alt-Pop, mit dem sie in die Riege der vielversprechendsten jungen Singer-Songwriter:innen Großbritanniens schoss, erweitert ihn aber auch um einen Hauch Country und Americana, was sie selbst ihrer Vorliebe für Kacey Musgraves und Bruce Springsteen zuschreibt. Und ihren Stilmix setzt sie in flirrendem Elektro-Pop („Flatlining“), viel Vocoder und sogar Breakbeats aus den 1990ern („Lauren“) fort. All das fühlt sich für sie wie „Chaos“ an: „Es passiert unglaublich viel, jeder Track erzählt eine andere Geschichte und zeigt mich dabei, wie ich etwas Neues zu entdecken versuche“, sagt sie. Aber als das Album fertig war, stellte sie fest, dass es zudem zwei verschiedene Facetten von ihr selbst abbildet. „Das war keine Absicht, aber für mich ist das Album zweigeteilt. Die eine Seite zeigt mein extrovertiertes Ich, zeigt, wie ich meine Liebe zu den Menschen zu Hause zurückgewinne und ihnen die Hand reiche“, sagt sie. „Und dann ist da die andere Seite, die einfach alles ausblenden möchte.“ Lies weiter, um dich von Humberstone Track für Track in diese beide Seiten ihres Debüts einführen zu lassen. „Paint My Bedroom Black“ Es war eine solche Erlösung, dieses Stück zu schreiben. Ich hatte ein paar Tage frei, und mein Produzent Rob [Milton] flog zu mir nach New York. Wir nahmen uns ein kleines Studio, und das war die größte Wohltat seit langer Zeit. Für mich fühlt sich der Track wirklich intim an – so, als wollte ich alles ausblenden. Ich habe ihn nicht über eine bestimmte Person geschrieben. Er entstand einfach aus Dingen, die ich spürte, mich selbst betreffend und die Welt, in der ich mich befand. Es ging nur darum, mich selbst ein wenig zurückzuerobern. Aber er hat etwas Positives an sich, fühlt sich wie ein Neubeginn an. „Into Your Room“ Mir ist das erst aufgefallen, als das Album im Kasten war: In fast jedem Song kommen Zimmer vor. Dieses Mal waren wir in Los Angeles. Rob flog wieder zu uns, und wir legten mit Ethan Gruska [boygenius, Phoebe Bridgers, Ryan Beatty] los. Ein Motiv dieses Albums: Ich hatte das Gefühl, dass ich Menschen zu Hause vernachlässigte und nicht für die da war, für die ich da sein wollte. Ich wollte das in etwas Positives verwandeln. Es ist ein Liebeslied über den Wunsch, jemandem nahe zu sein. Wir wollten damit eine Umarmung nach langer Abwesenheit rüberbringen, ich verkünde meine Liebe zu den Menschen zu Hause. Die Produktion ist wirklich rasant und glitzert und glänzt. „Cocoon“ Ich war gerade zurück von der Tour und versuchte, nach dieser langen Abwesenheit die Dinge zu Hause wieder in die Hand zu nehmen. Es ist echt schwierig, wieder daheim anzukommen. Man hat einen Jetlag, möchte nicht aus dem Bett und muss sich doch der Tatsache stellen, dass man wieder ins gewöhnliche Leben zurückgekehrt ist. Es ist nicht leicht, über psychische Gesundheit und Depressionen zu schreiben, aber ich fand es wirklich wichtig, das zu tun. Ein angstbesetztes, gitarrenlastiges Lied zu schreiben, hat Spaß gemacht und war tatsächlich heilsam. „Kissing In Swimming Pools“ Wir schrieben und nahmen das an einem Tag auf und veränderten nicht viel. Es handelt vom Beginn einer Beziehung. Ich war wieder zu Hause und konnte diese eine Person öfter sehen. Neben all dem, was in meinem Leben passierte, neben den Versuchen, ein Album zu schreiben, auf Tour und weit weg zu sein, war das wirklich eine schöne Sache. Ich wollte einfach ein Liebeslied für diese Person schreiben, das war alles. Alles fühlte sich lebendig und verschwommen und nachhallend an, denn genau so sind diese Gefühle. „Ghost Me“ Eine meiner Stärken und Schwächen ist, dass ich sehr starke Bindungen zu Menschen aufbaue und dann von ihnen abhängig bin – ich halte mich sehr an Menschen fest. Wenn sich alles andere verändert, finde ich es ziemlich beruhigend zu wissen, dass die Menschen zu Hause noch da sind und eine Art Konstante für mich darstellen. Ich glaube, in diesem Lied möchte ich mich buchstäblich an diese Menschen klammern, um zu überleben. Die Sprachnotiz am Ende ist von meiner Freundin Lauren. Sie hatte sie mir an jenem Tag geschickt, und ich fand sie einfach urkomisch. Wir fügten sie als Witz ein mit dem Gedanken, sie später wieder zu entfernen. Aber am Ende ließ es sich einfach nicht rausnehmen. „Superbloodmoon“ (feat. d4vd) Ich bin schon seit Längerem ein Fan von d4vd und wusste, dass er in London ist, also sprach ich ihn an. Ich hatte den Titel „Superbloodmoon“ in meinen Notizen; so etwas wie „The Superbloodmoon, can you see it from where you are?“ („Siehst du den Superblutmond von da, wo du bist?“) Er konnte sich sehr gut in mich hineinversetzen, was das Touren und die Abwesenheit von zu Hause angeht – und die Sehnsucht nach dieser einen Sache, die einen mit den Menschen verbindet, die man gerne sehen würde. Ich bin d4vd sehr dankbar, dass er so viel Lust hatte, mitzumachen. „Antichrist“ Es geht um das Ende meiner ersten richtigen Beziehung, in der ich für die andere Person einfach nicht genug sein konnte. Ich glaube, ich fühlte mich ein bisschen wie ein Versager. Offensichtlich übertreibe ich [in dem Song] – ich bin eigentlich kein schlechter Mensch! Ich finde, man hört viele Trennungslieder, in denen es darum geht, dass einem das Herz gebrochen wird und jemand einem wehtut. Aber ich habe noch nicht viele Lieder darüber gehört, wie es ist, auf der anderen Seite zu stehen und wie das einem auch ein bisschen das Herz brechen kann; darüber, wer man dachte zu sein. Es ist eine Art Entschuldigungslied. „Lauren“ Noch ein Song mit Rob and Ethan. Wir waren schon einige Tage an einem neuen Ort in London. Ich konnte beim Schreiben keinerlei Fortschritte machen. Im Studio stand diese altmodische Drum-Maschine, und es ging darum, damit etwas zu tun, das sich irgendwie cool anfühlte, um so etwas wie Inspiration zu finden. Ethan baute diesen seltsamen Drum-Loop, und dann setzte ich mich an das Wurlitzer und fing an, ein paar düstere Akkorde dazu zu spielen. So entstand der Song. „Baby Blues“ Es gibt die Sprachnotiz von Lauren und es gibt den Song „Lauren“, der natürlich von ihr handelt. Ich habe eine ganze Menge Songs über sie geschrieben. Diesen schrieb ich über ihren Besuch. Sie war gekommen, um mich zu besuchen, und ist dann wieder gegangen. Ich wollte darüber schreiben, wie sie aus dem Zug steigt und über den Zebrastreifen geht und ich eine Person wiedersehe, die ich liebe. Es war so simpel. Ich wurde süchtig nach dem Demo, ich fand diesen kleinen Ausschnitt perfekt: ein kleiner Atemzug. „Flatlining“ Die Person, über die ich „Antichrist“ schrieb, zog mit einer befreundeten Person buchstäblich in meine Straße. Wenn man die gleichen Freund:innen hat, ist das Leben irgendwie miteinander verwoben. Irgendwann wird man sich wieder über den Weg laufen. Ich hatte Angst, von alten Gefühlen übermannt zu werden, die ich eigentlich nur begraben und über die ich nicht mehr nachdenken wollte. Aber am Ende war es völlig in Ordnung. Nachdem ich das geschrieben hatte, hatte ich das Gefühl, dass wir wieder Freund:innen sind, was seltsam ist, weil der Refrain lautet: „We just can’t be friends anymore“ („Wir können einfach keine Freund:innen mehr sein“). Wir haben die kleinen Klänge des Pulsmessers eingebaut, und ich glaube, man kann diese Angst in der Percussion hören – das Gefühl, nicht zu wissen, wo einem der Kopf steht oder wie sich die Dinge entwickeln werden. Es ist mit Sicherheit ein angstbesetzter Song. „Elvis Impersonators“ Ich wollte darüber schreiben, dass meine Schwester weg ist. Sie lebt in Tokio und führt bestimmt ein ganz anderes Leben, mit dem ich nichts zu tun habe, das ist schwer zu begreifen. Ich kenne die Person, die sie dort ist, überhaupt nicht. Vor der Pandemie besuchten wir sie, und wir verbrachten einen sehr lustigen Abend mit lauter Michael Jackson- und Elvis-Imitator:innen. Das war wirklich bizarr, aber lustig, und ich wollte es in einem Song verarbeiten. Aber in Wirklichkeit geht es darum, dass ich meine Schwester vermisse. „Girl“ Es ist die Sehnsucht nach einer tieferen Verbindung. Ich denke, wenn man unterwegs ist, trifft man eine Menge Leute und begegnet so vielen Dingen, die trivial und oberflächlich erscheinen. Ich denke, die Sehnsucht in meiner Stimme verkörpert in diesem Song, worum es geht. „Room Service“ Ich bin sicher, dass eine Menge Leute sehr viel mehr zu tun haben und sehr viel mehr reisen müssen als ich. Aber ich muss noch lernen, mit dieser Seite meines Lebens umzugehen und mehr als gewöhnlich weg von zu Hause zu sein. In diesem Song geht es darum, dass wir an einen wirklich coolen Ort fahren und uns dann einfach in unser Zimmer einschließen, beim Roomservice bestellen und ein wenig auf den neuesten Stand kommen wollen: Das ist der einzige Ort, an dem ich sein möchte, das Einzige, was wirklich zählt. So empfinde ich auch für meine Freund:innen und alle, über die ich dieses Album geschrieben habe. Es fühlte sich nach dem Schlusssong an, weil es alles auf eine wirklich schöne Art und Weise zusammenfasst. Es fühlt sich an wie der Abschluss eines Kapitels.

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