Not Your Muse

Not Your Muse

Anfang 2020 befand sich Celeste auf einem Höhenflug. Die in Los Angeles geborene und in Brighton aufgewachsene Sängerin hatte sich gerade an die Spitze der „BBC Sound of 2020“-Liste gesetzt, die nicht minder prestigeträchtige Auszeichnung als „Rising Star“ bei den BRIT Awards entgegengenommen und ihr Debütalbum angekündigt. Aber irgendetwas fühlte sich nicht richtig an. „Alles ging recht schnell und ich hatte fast keine Zeit, darüber nachzudenken, wie ich dazu stand, oder mich daran zu gewöhnen“, erzählt die Sängerin, die mit vollem Namen Celeste Epiphany Waite heißt, gegenüber Apple Music. „Die Songs, die die stärkste Reaktion bei den Menschen auslösten, waren diejenigen, in denen meine Gefühle besonders ehrlich zum Ausdruck kamen. Ab einem gewissen Punkt, mit der Veröffentlichung von Singles und so, fand ich, dass das verloren ging. Ich fühlte mich geschwächt.“ Als das Vereinigte Königreich im März 2020 seinen ersten Lockdown erlebte, hatte Celeste die Chance, sich neu zu ordnen. „Die Entschleunigung hat ziemlich geholfen“, sagt sie. „Ich konnte mir darüber bewusst werden, was mir wirklich wichtig war, und mich auf das konzentrieren, weshalb ich hier bin.“ Das Resultat ist „Not Your Muse“, ein neu gedachtes Debüt, auf dem Celeste „Gespräche und Dialoge und kurze Geschichten über Dinge, die ich erlebt habe“ teilt.In den Songs geht es um Verlust („Strange“), den Kitzel neuer Liebe („Tonight Tonight“), politische Entrechtung („Tell Me Something I Don’t Know“) und darum, nach einer schweren Zeit neue Hoffnung zu schöpfen (das exquisite „Some Goodbyes Come With Hellos“). Auf der Deluxe-Ausgabe finden sich zudem neun Tracks, die maßgeblich für Celestes Aufstieg waren, darunter „Father’s Son“ und „Both Sides of the Moon“ von 2019. Dabei verwandelt Celeste jede vermeintliche Schwäche in Stärke und wagt sich mit ihrer zugleich nostalgischen und zeitgemäßen Melange aus Soul, Pop und R&B, die ihr bereits atemlose Vergleiche mit Nina Simone, Ella Fitzgerald und Amy Winehouse eingebracht hat, auf neues Terrain. Jubilierende Bläser, stampfende Rhythmen und ins Mark gehender Gesang schmücken das beeindruckende Debüt. „Mit jedem Schritt nach vorn wurde ich selbstsicherer“, so Celeste. „Ich möchte, dass die Menschen aus diesem Album die Botschaft ziehen, dass du Vertrauen in dich selbst haben musst, um dein Ziel zu erreichen.“ Hier führt Celeste uns Track für Track durch ihr kraftvolles erstes Werk.Ideal Woman„[Produzent] Josh Crocker spielte die Akkorde zu diesem Song und ich habe sie sofort geliebt. Ich hielt das Mikrofon und begann zu sagen, was mir in den Sinn kam. Der Song ist wie eine Unterhaltung mit einem alten Freund. Und ich wollte, dass die Menschen das am Anfang des Albums so empfinden, denn die Songs darauf sind Gespräche, Dialoge und kurze Geschichten über Dinge, die ich erlebt habe. Als ich ‚Ideal Woman‘ schrieb, war ich von einigen meiner romantischen Erfahrungen mit Männern enttäuscht. Das brachte Unsicherheiten mit sich und darum geht es in den Strophen. Aber im Refrain komme ich zu dem Punkt, an dem ich denke: ‚Ich bin einfach ich selbst und das ist okay so.‘“Strange„Für viele Menschen klingt das hier vermutlich wie ein Trennungslied – aber für mich steckt es voller Verlustgefühle. Ich schrieb den Song in L.A. während der Waldbrände in Kalifornien von 2018. Eines Tages kamen wir an dem Krankenhaus vorbei, in dem ich meinen Vater das letzte Mal gesehen hatte, bevor er starb, und mir brach plötzlich der Boden unter den Füßen weg. Das Gefühl war genauso schmerzhaft wie sechs Jahre zuvor. Zugleich schmerzte mich die Distanz, die zwischen mir und einigen Freunde entstanden war, mit denen ich aufgewachsen bin. Außerdem hatte ich Angst, ich könnte wegen der Asche in der Luft meine Stimme verlieren. Im Studio kamen all diese Dinge zusammen. Ich näherte mich dem Mikrofon sehr vorsichtig, weil ich mir Sorgen um meine Stimme machte. Aber das übertrug sich auch darauf, wie ich den Song behandelte – mit Respekt. Als wir ihn abschlossen, war es einen Moment lang still. Ich glaube, wir waren alle stolz auf das, was wir geleistet hatten.“Tonight Tonight„Als ich anfing, mit meinem jetzigen Freund Zeit zu verbringen, arbeiteten wir beide tagsüber. Es war also schon spät, wenn wir uns sahen. Unsere ganze Romanze fand nachts statt. Der Song drückt das aus, was ich damals sagen wollte. Ich erinnere mich, dass ich mit [Songwriter und Produzent] Jamie Hartman arbeitete und er dieses Bild vom Schatten und dem Licht hinter der Tür entwarf. Das erinnerte mich daran, wie ich im Bett lag und wusste, dass Sonny [Hall, Celestes Partner] hereinkommen würde. Dieses Gefühl von Nervosität und Aufregung, die Faszination einer anderen Person.“Stop This Flame„Dies ist der erste Song, den ich mit Jamie schrieb. Ich war nervös, mit ihm zu arbeiten, weil ich die Sachen, die er zuvor gemacht hatte, wirklich mochte. Ich weiß noch, dass er fragte, was mir gefiel – und plötzlich konnte ich mich an nichts mehr erinnern! Also brachte ich nur die wichtigsten Namen hervor, darunter Nina Simone. Er meinte sofort: ‚Oh, ich habe dieses Klavierstück, das ein bisschen wie ‚Sinnerman‘ klingt.‘ Ich fand es toll, aber als ich an anderen Songs arbeitete, dachte ich, dass es zu nah an der Musik ist, die mich inspiriert hat. Ich zögerte, es anderen Menschen vorzuspielen. Mit der Zeit begann ich mich aber weiterzuentwickeln, und auch der Song bekam für mich eine neue Bedeutung. Diese besagt, dass du dich nicht von zu vielen Dingen entmutigen und behindern lassen darfst.“Tell Me Something I Don’t Know„Ich habe diesen Song am 8. Februar 2020 geschrieben. Ich war in L.A., aber dachte an das, was in England vor sich ging. Ich war sehr enttäuscht, dass die Konservativen die Wahl [im Dezember 2019] gewonnen hatten, weil sie für mein Empfinden nur sehr wenige Menschen vertreten. Ich war im Studio und hörte viel Gil Scott-Heron. Dieser Song sagt: ‚Okay, das ist jetzt die Situation. Aber werden wir diesmal eine andere Antwort bekommen?‘ Deshalb schrieb ich die Zeile: ‚Tell me something I don’t know‘. Ich wollte andere Antworten – und andere Ergebnisse – von diesen Menschen haben.“Not Your Muse„Ich hatte den Titel für diesen Song drei Jahre lang im Kopf. Ich wusste immer, worum es darin gehen sollte, habe aber vermutlich fünfmal versucht, ihn zu schreiben – ohne zu wissen, wie ich ans Ziel gelange. Und dann habe ich einfach die Waffen gestreckt und erkannt, dass es etwas gab, das ich noch nicht erfahren hatte und das mir den Song offenbaren würde. Ich hatte begonnen, mich für das Verhältnis zwischen Künstler und Muse sowie für die Idee der Muse als eine Art Gefäß zu interessieren. Ich stieß auf verschiedene Hindernisse, [beispielsweise] Menschen, mit denen ich arbeitete und die andere Erwartungen an mich hatten. Sie wurden zum Künstler und hatten eine Idee, was ich ausstrahlen und transportieren sollte, aber es passte nicht wirklich zu meinen eigenen Vorstellungen. Das spielte sich unterschwellig in meinem Hinterkopf ab – was mir, glaube ich, dabei half, den Song endlich abzuschließen.“Beloved„Dieser Song klingt sehr 50er-Jahre-mäßig – nach dieser schnulzigen, putzigen, weichen Art von Liebesliedern. Ich war gerade von ein paar Auftritten in Deutschland zurückgekommen und vermisste es, meine Freunde um mich zu haben und in London zu sein. Ich ging ins Studio, weil Jamie nur für anderthalb Tage in England war. Ich wollte etwas schreiben, aber gleichzeitig wollte ich mich auch mit meinen Freunden treffen. Der Song entstand also aus diesem Gefühl von Müdigkeit nach einem Flug. Und das lässt sich daran ablesen, wie die Melodien transportiert werden. Sie klingen ziemlich vernebelt. Ich bin hier die heimliche Bewunderin und das Lied ist mein Liebesbrief an die Person, die ich aus der Ferne anhimmle.“Love Is Back„Ich weiß nicht, wie viele Menschen das so oft erleben wie ich, aber ich fange an, über Personen zu fantasieren, bevor ich wirklich etwas über sie weiß. Als ich diesen Song schrieb, hatte ich vermutlich jemanden auf einer Party getroffen und gedacht: ‚Oh Gott, das ist die Liebe meines Lebens!‘ Und nach zwei Wochen weiß ich: ‚Ich lag so daneben.‘ Am Anfang dachte ich bei diesem Lied: ‚Oh, jetzt geht das wieder los – sie ist wieder verliebt!‘ Aber als es fertig war, hatte ich mich tatsächlich verliebt und befand mich in einer Beziehung. Das veränderte meine Herangehensweise. Ich fühlte mich mutiger und das spiegelt sich in den opulenteren Arrangements des Songs und den lauteren Bläsern wider.“A Kiss„In diesem Song stecken meine Erkenntnisse aus verschiedenen romantischen Interaktionen, die ich unterschiedlichen Arten von Küssen zuordne und wohin diese führen. Aber ich sehe den Song auch als eine Botschaft meines älteren Ichs an mein jüngeres Ich. Nach dem Motto: ‚Ich sage es ja nur ungern, aber so wird das ablaufen.‘ Ein Kuss ist so wichtig. Aus dieser sehr konkreten Sache entsprang alles andere.“The Promise„Als ich die Akkorde zu diesem Song hörte, hatte ich das Gefühl, dass sie sich im Kreis drehen. Es erinnerte mich sofort an diese Menschen, zu denen man immer wieder zurückkehrt. Und es erinnerte mich an diesen Moment um 7 Uhr morgens auf einer Hausparty, wenn du und diese andere Person noch durchhalten, weil ihr beide miteinander nach Hause gehen wollt, aber keiner will den ersten Schritt machen. Das Outro des Songs kehrt zur Gitarre am Anfang zurück – eine Metapher für die Kreisbewegung.“A Little Love„Im Oktober 2019 kontaktierte [das Kaufhaus] John Lewis mein Team und sagte uns, dass sie gern einen Originalsong für den Weihnachtswerbespot hätten – eine Premiere. Manche Dinge fühlen sich einfach sehr besonders an. Ich begann sofort mit dem Schreiben! Der Song ist sehr simple. Es geht um die Idee, dass du, wenn du großzügig und liebevoll zu den Menschen um dich herum bist, dazu beiträgst, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Ich mochte, wie unprätentiös es war. Ich bin stolz, dass ich das hier tun und Teil von etwas sein durfte, das es zuvor noch nicht gab.“Some Goodbyes Come With Hellos„Ich wollte den Menschen, die das Album hören, vermitteln, dass das hier kein Ende ist. Es ist eher ein ‚Bis später!‘. Und ich wollte auch etwas Optimistisches an den Schluss setzen. Auf dem Album geht es teilweise um die Härten des Lebens, aber dieser Song sagt, dass ich nie die Hoffnung verliere. Der Gesang stammt vom Demo. Ich versuche oft, die Demo-Vocals von Songs aufzubewahren, weil sie das ursprüngliche Gefühl am besten einfangen. Es ist mir wichtig, dass die Emotion nicht auf oberflächliche Art ausgedrückt wird. Hoffentlich spiegelt sich das auch in der Musik wider.“Deluxe Tracks„Die Songs auf der Deluxe-Edition sind mir sehr wichtig. ‚Both Sides of the Moon‘ und ‚Father’s Son‘ waren bedeutsam, weil sie den Boden dafür bereiteten, wie ich wahrgenommen werden wollte und wie ich wollte, dass Menschen meine Musik hören. ‚Both Sides of the Moon‘ war auch mein erster Song mit Josh Crocker, der letztlich ‚Not Your Muse‘ produziert hat. Es war also eine Art zu sagen: ‚Hier hat alles angefangen.‘ Ich bin auch sehr stolz auf den Track mit Lauren Auder, die ich als Künstlerin sehr bewundere. Sie produzierten ‚Unseen‘ und schickten es mir Anfang 2020. Ich fand es sofort fantastisch – es schien für all die Menschen zu sprechen, die sich von ihrer Unsicherheit lähmen lassen. Ich wollte es auf die Deluxe-Ausgabe packen, damit die Menschen wissen, dass ich auf diese Richtung sehr stolz bin. Es gibt noch andere Stücke, ‚In the Summer of My Life‘ beispielsweise, die hoffentlich ein Zeichen dafür sind, dass noch viel Gutes kommt.“

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