Ugly is Beautiful

Ugly is Beautiful

Wenn Oliver Tree dich irritiert, hat er sein Ziel erreicht. Der 27-jährige Pop-Rock-Exzentriker sieht sich selbst als bildenden Künstler, der zufällig Musik macht. Musik, die so beschwingt und seltsam ist wie sein Look: baggy Jeans, Topfschnitt und ein ausdrucksstarkes Gesicht wie ein lebendig gewordenes Meme. Doch trotz der Deko, des Witzbold-Images, der viralen Musikvideos und des Plattenvertrags mit Atlantic Records ist Trees Albumdebüt „Ugly is Beautiful“ ein Meisterwerk voller eklektischer Hooklines und charmanter Aufrichtigkeit. Es gibt konsumkritischen Gitarren-Pop in „Cash Machine“, Rap-Rock nach Art der twenty-one pilots in „Hurt“, gute alte Turntable-Kunst in „Bury Me Alive“, harmonisch-fuzzigen Indie-Rock in „Miracle Man“ – und alles dazwischen. „80 Prozent meines Aufnahmeprozesses ist improvisiert“, erzählt Tree gegenüber Apple Music. „Ich gehe in die Kabine und nehme 30 Minuten lang auf. Meist schreiben sich die Songs von selbst. Manchmal sind sie Nonsens, manchmal perfekt, und ich könnte sie nicht reproduzieren, wenn ich wollte. Es steckt eine Magie in diesem Moment – [Musik], die unpoliert, verletzlich und rein ist. Das lässt sich nicht kopieren.“ Hier führt Oliver Tree Apple Music Track für Track durch sein erstes – und anscheinend letztes – Album. Sein Humor schwingt dabei stets mit, und es ist nicht alles für bare Münze zu nehmen. Doch seine Botschaft ist glasklar: „In meinen Irrungen und Wirrungen bin ich immer wieder auf die Schnauze gefallen“, erklärt Tree. „‚Ugly is Beautiful‘ handelt davon, in sich Dinge zu finden, die wir als Schwächen ansehen, und sie lieben zu lernen.“Me, Myself & I„Leute neigen dazu, zu denken, sie müssten Dinge für sich behalten – aus Angst, etwas Dummes zu sagen. Für mich handelt dieser Song davon, dass ich lieber ein paar dumme Dinge in meinem Leben sage als gar nichts. Aktuell arbeite ich daran, meine Gedanken zu filtern, um etwas nuancierter damit umzugehen. Aber letztlich ist es mir lieber, etwas zu äußern, als gar nichts zu sagen. Es kann etwas viel werden, löst aber sehr ehrliche Reaktionen aus.“1993 (feat. Little Ricky ZR3)„Hinter Little Ricky ZR3 steckt Ricky Robinson. Er ist der einzige Feature-Gast auf diesem Debütalbum. Ich höre nicht wirklich Musik. Der einzige echte Künstler, mit dem ich mich aktuell abgebe, ist Little Ricky ZR3. Dieser Typ lebt in seiner komplett eigenen Welt. Ich glaube ernsthaft, dass er in den nächsten paar Jahren einer der größten Künstler auf dem Planeten wird. Tatsächlich geht es in dem Song ums Erwachsenwerden. Ich bin mein ganzes Leben lang immer wieder auf die Schnauze gefallen, habe mich davon aber nicht aufhalten lassen. Mir wurde der Name Oliver Tree bei der Geburt gegeben. Ich bin 1993 geboren, aber irgendwie dauerte es 27 Jahre, bis ich dieses Album fertiggestellt und realisiert habe, wer ich war.“Cash Machine„Ich bin die letzten drei Jahre um die Welt gereist und alles, was ich besitze, passt in einen großen [nachgemachten] Gucci-Koffer. Mein gesamtes Leben passt da rein und in meinen Rucksack. Wenn du glaubst, dass du Geld oder materielle Dinge brauchst, um glücklich zu sein, dann bin ich ehrlich der Meinung, dass etwas mit dir nicht stimmt und du krank im Kopf bist. Wir verschwenden die besten Jahre unseres Lebens damit, Geld hinterher zu jagen, damit wir all diese Dinge kaufen können, die wir nicht brauchen. Es ist absurd.“Let Me Down„Ich habe den Song ein paar Tage nach Beginn des Shutdowns [in Los Angeles] geschrieben. Ich musste [mein Albumrelease] wegen COVID-19 absagen. Ich konnte die Videos, die ich drehen musste, nicht drehen, also verschob sich alles. Ich konnte das hier nicht ohne einen vernünftigen visuellen Support veröffentlichen. Und so ist dieses Lied letzten Endes eine Entschuldigung an meine Fans. Ich habe viele Leute hängen lassen, als ich das Album absagte. Ich habe innerhalb weniger Tage 150.000 Instagram-Follower verloren. Ich habe Leute enttäuscht und den Song geschrieben, um so um Vergebung zu bitten. Ob sie mir vergeben oder nicht, ist mir letztlich egal. Sie können tun, was sie wollen, aber es war einfach ein schönes Andenken.“Miracle Man„Was ‚Miracle Man‘ betrifft, kann ich nur sagen: Verschwende dein Leben nicht damit, auf ein Wunder zu warten! Du musst rausgehen, dir die Hände schmutzig machen, auf die Schnauze fallen. Wenn du etwas tun willst, musst du meiner einfachen Drei-Schritte-Formel folgen: Erstens, wach verdammt noch mal auf; zweitens, krieg deinen Arsch vom Sofa hoch; und drittens, geh und mach den Scheiß! Das beruht auf einer Erfahrung, die ich in der Grundschule gemacht habe. Die Schwester eines Kindes aus meiner Schule war am Ertrinken. Sein Name war Danny Stromboli, und seine Schwester war im See und konnte nicht schwimmen. Sie ist allein da draußen und schreit und es gab keine Rettungsschwimmer, nichts. Also renne ich raus, springe ins Wasser, erreiche sie und bringe sie zurück ans Ufer. Und mir wurde klar: Was, wenn jemand nur dafür gebetet hätte, dass sie es zurück schafft? Also warte ich hier in der Hoffnung, dass jemand kommt und das arme, kleine Mädchen rettet – oder gehe ich los und rette es selbst?“Bury Me Alive„‚Bury Me Alive‘ handelt davon, wie ich auf einem Familienurlaub beim Burning Man Festival zu viel LSD genommen habe. Ich dachte, ich hätte überdosiert und war überzeugt, ich sei gestorben. Ich sah meiner kompletten Beerdigung zu. Am Ende bin ich sechs Stunden lang nackt durch die Wüste gerannt und wäre in der Nacht fast gestorben. Ich hatte eine Phase, in der ich Drogenproblemen hatte, und das war der tiefste Punkt. Nach dieser Erfahrung erkannte ich, dass ich mein Leben nicht so leben sollte. Anstatt auf Drogen fixiert zu sein, fixierte ich mich auf die Musik. Das Problem daran, mit Drogen aufzuhören oder deinen Lebensstil zu ändern, ist, dass du nichts hast, um die Leere zu füllen. Ich hatte das Glück, dass die Musik da war.“Alien Boy„Der Song ‚Alien Boy‘ ist all den außerirdischen Jungs und Mädchen da draußen gewidmet. Das Menschsein ist eine extrem seltsame Erfahrung. Die meisten von uns fühlen sich irgendwann mal wie Außerirdische. Wir fühlen uns wie Ausgestoßene, aber wer will letzten Endes normal sein? In diesem Lied geht es darum, dein wahres Ich voll und ganz zu akzeptieren und das Beste aus ihm zu machen.“Joke’s On You!„Beurteile niemanden nach seinem Aussehen! Ich habe gesehen, wie dich Leute behandeln, wenn du anders aussiehst, nicht ganz den Konventionen entsprichst. Ich habe die toxische Energie erlebt, wie Menschen ihre eigenen Unsicherheiten und ihre Unzufriedenheit auf andere projizieren. Viele Leute haben damit zu kämpfen, in den Spiegel zu schauen und zu sagen: ‚Ich liebe mich. Ich kann mich selbst akzeptieren. Meine Fehler machen mich schön. Sie machen mich aus.‘ Du musst lernen, dich selbst zu lieben und über dich selbst zu lachen, und du musst aufhören, dich selbst so verdammt ernst zu nehmen.“Again & Again„Wir sind alle Gewohnheitstiere. Unsere Verhaltensmuster neigen dazu, sich zu wiederholen, im Positiven wie im Negativen. Wenn wir nicht von den Fehlern lernen, werden wir sie immer und immer wieder machen. Aber das menschliche Gehirn ist so stark, dass es diese schlechten Verhaltensmuster erkennen und tatsächlich neue, bessere anschieben kann. Wir haben die Fähigkeit, das Gehirn neu zu verdrahten. Du kannst als Drogenabhängiger komplett clean werden. Nichts geschieht über Nacht. Aber es beginnt damit, ein Problem anzuerkennen.“Waste My Time„Little Rick ZR3 hat Violine auf diesem Song gespielt und das allein für das Outro. Er spielte Violine und Bratsche und dann legte er das Cello drüber, was unglaublich klang. Zum Lied: Zeit ist die wertvollste, begehrteste Sache, die es gibt. Ein Tag hat nie genug Stunden, um all das zu tun, was wir tun müssen. Was ich sagen will: Mach alles, was du machen willst! Deine Zeit hier ist extrem kurz und darüber solltest du dir absolut im Klaren sein.“Jerk„Dieses Stück schrieb ich, als ich bei Marshmello zu Hause war. Ich habe es mit ihm und meinem Tontechniker geschrieben. Zur Erklärung des Songs: Ich denke, wir haben alle den einen oder anderen Vollidioten getroffen. Wir alle kennen Leute, die wir nie wieder treffen wollen. Aber es ist wichtig zu verstehen, dass wir vermutlich auch alle irgendwann in unserem Leben mal Vollidioten waren. Es ist ein zweischneidiges Schwert, aber es ist ein Song über diese Menschen, von denen du wirklich hoffst, dass du sie nie wieder siehst.“Hurt„In meiner Jugend habe ich auf professioneller Ebene an Freestyle-Scooter-Wettkämpfen teilgenommen. Ich habe das ein paar Jahre lang gemacht. Während eines Halbfinal-Rennens bin ich mit etwa 50 bis 60 km/h eine Acht-Meter-Rampe runtergefahren. Ich bin aufs Ganze gegangen, und aus dem Nichts taucht dieser verdammte kleine Kiesel auf. Ich erwische ihn und fliege vier Meter durch die Luft. Ich strecke beide Hände aus, um den Sturz abzufedern, und selbstverständlich breche ich mir das linke und rechte Handgelenk. Ich breche das Gelenk, das meinen Daumen mit der Hand verbindet. Ich hatte eine Gehirnerschütterung und ein paar kleinere Abschürfungen. Meine rechte Hand war kaum zu gebrauchen, aber meine linke hatte noch ein paar funktionierende Finger. Also fing ich an, Musik zu produzieren. Ich habe mich eine ganze Roller-Saison – fünf Monate lang – im Schlafzimmer eingeschlossen und Musik geschrieben. Und der erste Song, den ich schrieb und der diese Erfahrung wirklich einfing, war ‚Hurt‘.“Introspective„Der Song ‚Introspective‘ handelt davon, sich in den Gedanken in deinem Kopf zu verlieren. Manchmal gibt es Dinge, die wir für uns behalten, Dinge, die wir nicht mit anderen teilen wollen. Manchmal finden wir einfach nicht die richtigen Worte. Manchmal existieren diese Worte nicht. Manchmal stellen wir Vermutungen an. Manchmal malen wir uns in unserem Kopf eine Million verschiedener Szenarien aus. Und das ist nicht der beste Weg, Dinge anzugehen. Zerbrich dir nicht zu sehr den Kopf! Verbringe nicht zu viel Zeit damit, darüber nachzudenken, wie es schiefgehen wird! Binde die Schnürsenkel zu, schnall dich an, geh da rein und mach dein Ding!“I’m Gone„Das war’s. Dies ist das erste und letzte Oliver Tree-Album. Es hat Spaß gemacht, aber diese Industrie ist zu viel für mich und das hier ist nicht das, womit ich den Rest meines Lebens verbringen will. Ich will nicht der 60-jährige Typ mit dem Topfschnitt sein, der auf der Bühne herumtanzt. Ich kann das nicht mehr machen. Ich werde zum nächsten Kapitel übergehen und die Musik verlassen. Aktuell habe ich kein Interesse daran, ein Album nach dem anderen zu produzieren, für diese rotzigen Fans und Leute, die nur Scheiße labern – und auch keine Lust, mir wegen der Kunst, der ich mein ganzes Leben gewidmet habe, mein Leben zu vermiesen. Ich habe verdammt noch mal genug. Ich bin raus.“

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