

Eine Diskokugel lässt dich optimistisch nach vorn blicken“, erzählt Kylie Minogue Apple Music und fasst damit gut zusammen, warum ihr 15. Album „DISCO“ einen willkommenen Lichtblick in diesem ausgesprochen trüben Jahr darstellt. „Ich bin von der verschmutzten Strasse auf den Überschall-Highway abgebogen – direkt der galaktischen Disko entgegen.“ „DISCO“ ist in der Tat eine deutliche Abkehr vom countrylastigen 2018er-Album „Golden“ und nimmt uns direkt mit auf die Art von vollen Tanzflächen, von denen wir 2020 inmitten des globalen Lockdowns nur träumen können. Dennoch wurde „DISCO“ in der Abgeschiedenheit eines provisorischen, aus Kleiderstangen, Vorhängen und Planen bestehenden Heimstudios aufgenommen – wodurch sich Minogue ihre ersten Tontechnik-Credits erwarb. „Ich habe den Recording-Kindergarten besucht und musste lernen, mit GarageBand umzugehen“, verrät sie. Die Australierin ist natürlich nicht die einzige Künstlerin, die sich 2020 Disco als einer radikalen Form des Eskapismus zuwendet – ein Jahr, in dem auch Lady Gaga, Dua Lipa, Jessie Ware und Róisín Murphy mit diesem Genre experimentiert haben. „Ursprünglich ermöglichte Disco den Menschen, sich durch Tanz von Streit und Schmerz abzulenken“, so Minogue darüber, warum es sich als solch stärkendes Elixier erwiesen hat, die Zeit zurückzudrehen. „Einige der besten Discosongs leiten zum Durchhalten an. Auch wenn ich mit den Aufnahmen vor den dramatischen Ereignissen des Jahres 2020 begonnen habe, besteht hier ein Zusammenhang.“ Hier teilt die Musiklegende mit uns die Geschichten hinter ihrer mitreissenden „DISCO“.
Magic
„‚Magic‘ ist so etwas wie die Vorspeise des Albums. Das Hauptmenü wird nach einer Weile gereicht – und lässt noch Platz für das Tiramisu. Es hat etwas Klassisches, Erwachsenes und Glattes, dennoch gibt es dank der Falsetttöne auch ein Überraschungselement.“
Miss a Thing
„Als ich das Demo hierfür das erste Mal im Februar hörte, gefiel es mir sofort. Es entsprach der Vorgabe, genügend Discoelemente zu beinhalten, aber auch eine neue Interpretation zu vermitteln. Ich sollte im März nach L.A. fliegen, um mit [dem finnischen Songwriter] Teemu Brunila, einem der Hauptautoren, an dem Song zu arbeiten. Doch dann kam es ja zum Lockdown, so dass wir dies schliesslich getrennt voneinander taten. An einem der Tage hatte ich einen Zusammenbruch. Ich versuchte, den Gesang hinzubekommen, aber ich war so erschöpft und gestresst, dass ich es einfach nicht konnte. Ich hatte das Gefühl, ihn und mich zum Scheitern zu bringen. Ich war nicht völlig am Heulen, aber nahe dran. All das – und dabei hatten wir uns bis dahin noch nicht einmal persönlich getroffen. Ich kann es kaum erwarten, ihn zu umarmen, sobald es endlich möglich ist.“
Real Groove
„Da ich meine Vocals bei mir zu Hause aufgenommen habe, kam es zu deutlich mehr Takes, als es normalerweise der Fall war – bis zu dem Punkt, an dem ich mich buchstäblich vom Laptop fernhalten musste. ‚Real Groove‘ war einer der Songs, der die meisten Takes benötigten. Ich wollte die Melodie eine halbe Note tiefer haben. Wir experimentierten damit herum, sie tiefer zu bekommen, doch letztlich waren die höheren Noten optimal. Du bist nicht darauf vorbereitet, aber dann endet der Song sehr druckvoll. Es war die Anstrengung wert.“
Monday Blues
„Bei diesem Track habe ich fast aufgegeben. Er hatte zunächst einen anderen Refrain, so dass ein wenig Jonglieren nötig war. Wir mussten tief graben, um ihm den richtigen Refrain zu verpassen. Während des Lockdowns lebte ich ziemlich abgeschottet und ging kaum raus, doch während eines seltenen Spaziergangs hörte ich mir eine Version dieses Songs an – und auf einmal ergab es Sinn. Es war so aufbauend und cool. Es ist einfach etwas anderes, sich die Musik an einem anderen Ort anzuhören als dort, wo man sie aufnimmt. Sie an einem sonnigen Tag beim Bummeln zu hören, machte mir klar: ‚So kommt der Song aufs Album.‘“
Supernova
„Am Anfang des Songs gibt es eine Vocoder-Stimme. Für mich ist es die Stimme einer kleinen Weltraumkreatur, die in diesem Song mein Freund ist. Ich war schon immer von überirdischer Terminologie und Symbolik fasziniert, so dass dies eine amüsante Möglichkeit war, mit all diesen Elementen zu spielen. Den Song etwas raumgreifender zu gestalten, hat dabei geholfen, ihn nach Disco klingen zu lassen, ohne dass er zu sehr in den Siebzigern verhaftet ist. [Songwriter] Skylar Adams, Co-Autor und Produzent dieses Songs, hat einen kleinen Jungen namens Jupiter, so dass wir auch seinen Namen in die Lyrics einbinden wollten. Wenn du vor ‚Supernova‘ nicht wach warst, bist du es spätestens dann, wenn der Track beginnt.“
Say Something
„Nach ‚Supernova‘ braucht man eine Pause – und ‚Say Something‘ bietet die Möglichkeit, runterzukommen und sich ein wenig zu besinnen. Es ist einer dieser Songs, die einfach vom Himmel fallen. Ich nahm ihn bei meiner ersten Session auf, noch bevor ich überhaupt einen Zeitplan oder ein Album in Planung hatte. Ich arbeitete zusammen mit [Autor und Produzent] Biff Stannard und [dem britischen Songwriter] Ash Howes, mit denen ich schon häufig kooperiert habe, sowie [Produzent] Jon Green, der auf ‚Golden‘ dabei war. Mir war klar, dass bei uns dreien etwas ganz Eigenes herauskommen würde, aber nicht, dass das hier entstehen würde. Es begann mit einem Beat, zu dem wir alle einfach ins Mikro sangen, um alles festzuhalten. Der ‚love is love‘-Part hat fast etwas von einem anderen Song, doch irgendwie passt er dennoch zum Rest. Der Song sprudelte an jenem Tag förmlich aus uns heraus.“
Last Chance
„‚Last Chance‘ ist sehr von ABBA und den Bee Gees inspiriert. Von ABBA war ich als Acht- oder Neunjährige wie besessen. Sie verkörpern die pure Perfektion. Ich kann mich mit diesen für alle Zeiten epischen, grandiosen Songs nicht messen. Was ich also versuchte, war, sie einzusaugen und sie zu verstehen, um dann meinen eigenen Pfad zu beschreiten. Das hier war einer der letzten Songs, die entstanden, bevor alles schliessen sollte. Der Song zeigt einfach auf, dass man die Zeit wirklich nutzen sollte, solange es möglich ist.“
I Love It
„Dies war ein weiterer Song, den ich zusammen mit Biff ein oder zwei Tage vorm Lockdown begonnen habe. Auch dieser hatte zunächst einen leicht anderen Refrain, der einfach nicht passte. Wir wollten das Kind aber nicht mit dem Bade ausschütten, und als ich zu Hause Veränderungen vornahm und daran herumwerkelte, fügte ich die Zeile ‚So come on, let the music play, we’re gonna take it all the way‘ hinzu, die von Lionel Richie inspiriert war. Diese kleine Umstrukturierung lenkte den Song in die richtige Richtung, so dass er seinen Platz auf dem Album fand.“
Where Does the DJ Go?
„Diesen Song habe ich mit den Songwritern Skylar Adams, Daniel Shah und Kiris Houston geschrieben. Kiris ist ein grossartiger Musiker und sehr engagiert. Es war in der Zeit kurz vorm Lockdown, als uns schon sehr bewusst war, dass etwas passieren würde. Die Zeile ‚The world’s trying to break me, I need you to save me‘ spiegelt wider, wie wir uns fühlten, und die ‚Singing I will survive‘-Zeile wurde von dem Gloria Gaynor-Song inspiriert. Es war unsere Art zu sagen: ‚Bitte hol mich aus dieser Situation raus!‘“
Dance Floor Darling
„Es gibt Songs auf dem Album, die eine andere Bedeutung haben oder denen eine leichte Melancholie innewohnt. ‚Dance Floor Darling‘ wartet mit keiner wirklichen Tiefe auf, aber er hat etwas von einer Umarmung. Wie ein Hochzeitsempfang, bei dem jeder gut gegessen hat, einige Drinks hatte und der offizielle Teil vorüber ist und – vor allem wenn der Track in der Mitte mit einem Achteltakt an Fahrt aufnimmt – Opa die Tanzfläche betritt. Es lässt mich an David Brent, [die Hauptfigur aus der britischen TV-Serie „The Office“], denken, wie er ungelenke Dad Moves ausführt. Wir waren auf Eskapismus aus und haben uns daran gehalten.“
Unstoppable
„Zuvor habe ich ‚Magic‘ als Vorspeise bezeichnet. Nun, ‚Unstoppable‘ ist ein erfrischendes Sorbet, ein Rachenputzer. Daran arbeitete ich zusammen mit [Songwriter, Produzent und Instrumentalist] Troy Miller, der ein weiterer Autor ist, den ich lediglich von der Taille aufwärts auf Zoom kenne. Die Vocals klingen ziemlich anders. Als wir es aufnahmen, war ich mir nicht sicher, ob ihm meine Darbietung gefiel, weil er sich kaum äusserte. Es stellte sich dann aber heraus, dass er sich einfach dem Vibe hingeben und mich machen lassen wollte!“
Celebrate You
„Ich habe bislang noch nie einen Song in der dritten Person geschrieben. Die Figur der Mary entstand aus genuschelt vorgetragenen Melodien. Mary steht für all diejenigen, die Bekräftigung brauchen, dass wir uns selbst genug sind und wir geliebt werden. Der letzte Part des Albums hat eine ziemlich hohe BPM-Schlagzahl, daher ist ‚Celebrate You‘ der Song, der einen wieder runterbringt. Es hat etwas von der letzten Runde im Pub – die ganze Familie ist anwesend und Tante Mary hatte einige Drinks zu viel. Ich habe euch diese Sternenlandschaft präsentiert, wir sind zur Supernova geworden, aber zur Erde zurückgekehrt. In diesem Song geht es um Herzlichkeit und Verbundenheit.“