Beethoven: The Symphonies

Beethoven: The Symphonies

„In der Musik gibt es keine Routine. Routine ist der Feind“, sagt der Dirigent Yannick Nézet-Séguin gegenüber Apple Music über die Philosophie, die seiner neuen Aufnahme aller neun Sinfonien Ludwig van Beethovens mit dem Chamber Orchestra of Europe zugrunde liegt. Nézet-Séguins unmittelbare Herangehensweise an Beethoven passt seiner Meinung nach besonders gut zu der detaillierten, hochkonzentrierten Arbeitsweise des COE. Außerdem sei Beethoven ein Komponist, der eine absolute, Takt für Takt erfolgende Hingabe an den physischen Akt des Musizierens verlange. „Je weiter wir uns von Beethovens Zeit entfernen, desto mehr vergessen wir, dass er jemand war, der die Menschen wirklich schockieren wollte“, sagt Nézet-Séguin. „Er wollte alle Konventionen brechen. Es ist eine verstörende Musik, sie ist manchmal unausgewogen, sie ist rau.“ Die Rohheit und Originalität von Beethovens Inspiration spiegelt sich stark in der Art und Weise wider, wie Nézet-Séguin und das COE seine Musik spielen. Das Finale der „Symphony No. 4“ sprüht vor rastloser Energie, während der berühmte Beginn der „Symphony No. 5“ eine knappe, schnörkellose Direktheit aufweist. Die Live-Aufnahme der Sinfonien im Festspielhaus Baden-Baden verlieh Nézet-Séguin den gewünschten zusätzlichen Kick.Bei dieser Aufnahme von Beethovens großem Zyklus war sich Nézet-Séguin der Dirigent:innen bewusst, die vor ihm tätig waren – darunter Herbert von Karajan, Carlo Maria Giulini und Leonard Bernstein – und der Musik ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben. Aber Nézet-Séguin hat keinen Zweifel daran, wer ihn bei Beethoven am meisten beeinflusst hat. „Die 1991 von Nikolaus Harnoncourt – ebenfalls mit dem Chamber Orchestra of Europe – eingespielten Sinfonien sind für mich die wichtigsten der letzten 50 Jahre“, sagt er. „Die Menschen erkannten, wie diese Musik gespielt werden sollte.“ Und als Nézet-Séguin zwei Jahrzehnte später begann, Beethoven mit dem COE zu dirigieren, waren es die Musiker:innen selbst, die die Idee hatten, Harnoncourts Werk wieder aufzugreifen und es für ein neues Jahrhundert zu aktualisieren. „Harnoncourt war ein Genie und ich mochte die Idee sehr, dieser Geschichte Tribut zu zollen und zu sehen, wie sich die Aufführungspraxis in der Zwischenzeit entwickelt hat.“Eine Sache, die Nézet-Séguin in seinem neuen Zyklus besonders wichtig erschien, war die Neukalibrierung des Klangs von Beethovens Orchester, um eine ausgewogenere Balance zwischen den Streichern und den anderen Instrumenten zu erreichen. „Was sehr wichtig ist und vielleicht immer noch übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Holzbläser – Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte – im Mittelpunkt dieser Sinfonien stehen“, erklärt er. Beethovens kreisende Holzbläsersätze kommen besonders deutlich in Nézet-Séguins stürmischer Darstellung des Chorfinales der „Symphony No. 9“ zum Tragen, zu der auch die Sänger:innen der Vokalgruppe Accentus einen mitreißenden Beitrag leisten. „Ihr Gesang hat eine echte Unmittelbarkeit und das ist eine Sache, die ich suche, wenn ich Musik mache“, fügt Nézet-Séguin hinzu.Wenn Nézet-Séguin Beethovens Sinfonien aufführt, vermeidet er es, sie chronologisch anzuordnen, und zieht es vor, Werke zu kombinieren, die sich auf interessante Weise miteinander vergleichen lassen. Eine ähnliche Herangehensweise empfiehlt er auch den Hörer:innen seines neuen Zyklus. „Das Wichtigste bei Beethoven sind Zusammenprall und Kontrast“, erklärt Nézet-Séguin. „Wenn ich zwei Sinfonien auswählen müsste, um mit ihnen zu beginnen, wären es die „Symphony No. 2“ und „Symphonie No. 3“ . Die 2. Sinfonie ist immer noch sehr klassisch – wie jemand, der versucht, die richtige Kleidung zu tragen, aber gleichzeitig bereit ist, sie zu zerreißen und alle Tattoos zu zeigen oder so! Und dann ist die 3. Sinfonie, die „Eroica“ von gigantischem Ausmaß. Sie sprengt schon bei den ersten beiden Akkorden den Rahmen.“ Die „Symphony No. 6“ und „Symphony No. 7“ bieten sich ebenfalls für detaillierte Vergleiche an, erklärt Nézet-Séguin. „Die 6. Sinfonie ist wirklich zart und zeigt eine kontemplative Seite Beethovens, die er in anderen Werken als den Sinfonien viel mehr erforschte. Die 7. Sinfonie beginnt dort, wo die 6. aufgehört hat, fängt dann aber Feuer und endet in einer Art Raserei.“Wie auch immer man Beethovens Sinfonien aneinanderreiht, Nézet-Séguin ist der Meinung, dass sie insgesamt ein bewegendes Porträt der Entwicklung des Werks eines großen Komponisten zeichnen. „Es ist nicht unbedingt eine Reise von der 1. bis zur 9. Sinfonie, sondern eher eine Vision, die schon zu Beginn der „Symphony No. 1“ vorhanden ist. Und als Interpret:innen im 21. Jahrhundert müssen wir zum wahren Geist von Beethovens Musik zurückkehren, der dieses Element der Überraschung, des Schocks, der Entdeckung ist.“

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