What's Your Pleasure?

What's Your Pleasure?

Als sie mit der Arbeit an ihrem vierten Album begann, hatte Jessie Ware ein Wort im Kopf: „Eskapismus“, wie die Londonerin Apple Music anlässlich der Veröffentlichung von „What’s Your Pleasure?“ verrät. Das Album ist eine Sammlung berauschender, von Soul und Disco inspirierter Popsongs, die uns aus dem Alltag reißen und direkt auf einen gefüllten Dancefloor befördern. „Ich wollte, dass es Spaß macht. Der Vorsatz war: Wird das die Leute miteinander ins Bett bringen? Wird es die Leute zum Tanzen bringen? Ich habe mittlerweile eine Familie, deshalb kommt es nicht mehr so oft vor, dass ich ausgehe und unanständige Dinge mache.“ Die Sängerin, die nebenbei auch populäre Podcasterin ist, konnte nicht voraussehen, wie sehr wir uns alle nach einer solchen Erfahrung sehnen sollten, als es die ersten Eindrücke von „What’s Your Pleasure?“ zu hören gab – inmitten einer globalen Pandemie und strikten Ausgangsbeschränkungen in zahllosen Ländern. „Es passieren verrückte Dinge“, sagt Ware. „Natürlich werde ich mit diesem Album nicht die Welt retten, aber ich glaube, ein bisschen Eskapismus kann nicht schaden. Für meine Verhältnisse ist dieses Album wahnsinnig fröhlich.“In der Tat. „What’s Your Pleasure?“ entstand innerhalb von zwei Jahren zusammen mit James Ford von Simian Mobile Disco und Produzenten wie Clarence Coffee Jr. (Dua Lipa, Lizzo) und Joseph Mount (von Metronomy) – und ist Welten entfernt von den empfindsamen Balladen, für die Ware einst bekannt war. Hier regieren pulsierende Basslines, geflüsterte Vocals, melodramatische Melodien und augenzwinkernde Texte. Mal lässt sie die Zeit in der Dance-Szene aufleben, in der sie berühmt wurde („Die Leute sollen sich fragen, wann ich denn auch mal ruhiger werde auf diesem Album“), mal entwirft sie einen aufregenden Ausblick auf das, was noch kommt. Hierbei beachte man „Remember Where You Are“, das großartige Outro im Stil von Minnie Riperton. Doch warum die plötzliche Verwandlung? „Eine musikalische Krise“ und „eine miese Zeit“, gesteht Ware, und meint ihre 2018er-Tour, nach der sie so desillusioniert von ihrer Arbeit war, dass ihre Mutter ihr riet, ganz mit dem Singen aufzuhören. „Ich brauchte eine extreme Abwechslung, um mich neu sortieren zu können. Ich wollte mich testen und daran erinnern, dass es bei Musik um Spaß gehen sollte.“ Ware bestätigt, dass „What’s Your Pleasure?“ noch viel mehr mit ihr gemacht hat. „Es kommt mir so vor, als könnte ich jetzt alles machen, ohne Einschränkungen. Es fühlt sich ganz anders an als nach dem letzten Album. Ich habe einen neuen Antrieb und fühle mich komplett gestärkt. Das ist ein tolles Gefühl.“ Lass dir hier von Ware ihr viertes Album erklären, Song für Song.Spotlight„Das hier entstand in der allerersten Session. James saß am Klavier und wir schmachteten so richtig ins Mikrofon. Das hört man am Anfang dieses Songs, der an Musicals und Jazz erinnert. Wir überlegten erst, ihn wegzulassen, doch dann wurde mir klar, wie wichtig dieser theatralische Aspekt ist. Das Album brauchte das Spiel von Licht und Schatten. Mit diesem Intro hatten wir die perfekte Eröffnungsnummer, nach dem Motto: ‚Komm in meine Welt!‘ Das macht neugierig. Es steckt auch ein bisschen von der alten Jessie drin, diese Melancholie. Der Song erschien mir ein guter Hinweis darauf, wo sich der Rest des Albums hinbewegt.“What’s Your Pleasure?„Wir schrieben und komponierten den ganzen Tag und nichts gelang. Beim Mittagessen sahen wir ein, dass das eben auch mal passiert. Danach haben wir nur rumgespielt und ich stellte mir vor, ich wäre im Berghain, würde mit jemandem tanzen und alles könnte passieren. Sex, Verlangen, Versuchung. Wir nahmen uns vor, so unerhört wie möglich zu klingen. Wir versetzten uns in eine dieser unglaublich selbstbewussten Personen hinein, die sich alles zu sagen trauen. Und dann passierte es einfach, in 20 Minuten war es fertig. James machte diesen tollen Beat, der mich an einen Track von DJ Shadow erinnert. Wir hatten richtig viel Spaß dabei. Irgendwie wurde es sehr poppig, aber das passt perfekt zu all den düsteren Synths.“Ooh La La„Der hier steckt auch voller Anspielungen. Ich stelle mir all diese steifen und anständigen Liebespaare vor – alles ist sehr höflich, obwohl es darum doch überhaupt nicht geht. Deshalb ist der Song so unanständig. Da steckt richtig viel Funk drin, er ist eingängig und verschroben zugleich. Ich halte mich bei den Vocals eher zurück, wir haben sie gut gestutzt.“Soul Control„Hier hatte ich Janet Jackson im Sinn. Eine total energiegeladene Nummer. Man spürt eine ausufernde Schwelgerei in all diesen Songs, weil ich nie an Radio-Edits dachte und das auskostete. Ich finde es auch nicht maßlos, denn es macht so viel Spaß. Das sind die schnellsten Tempi, die wir je aufgenommen haben, was mich selbst überrascht hat. Ich wollte die Energie beibehalten, damit sich die Leute fragen: ‚Schaltet sie auch mal einen Gang zurück?‘“Save A Kiss„Vor diesem Song hatte ich echt ein bisschen Angst. Ed Sheeran sagte mal zu mir: ‚Wenn du Angst vor einem Song hast, heißt das meist, dass er richtig gut ist.‘ Meine Fans erwarten Emotion von mir, deshalb nahm ich mir einen sehr gefühlvollen Dance-Song vor. Er sollte so schlicht wie möglich sein, damit die Melodie und Lyrics herausstechen können. Zuerst steckten noch viel mehr Produktionselemente drin, bis James und ich alles optimierten. Diesen Song zu vollenden fiel uns am allerschwersten. Aber ich freue mich wahnsinnig darauf, ihn zu spielen. Der Song hat die Sehnsucht, die meine Fans mögen, und ich wollte ruhig ein bisschen übertreiben. Er sollte etwas von Kate Bush und dem Drama ihrer Musik haben.“Adore You„Dieser Song entstand, als ich schwanger wurde. Es war meine erste Session mit Joseph Mount und wir benahmen uns beide recht merkwürdig. Wenn ich nervös bin, singe ich immer viel leiser, weil ich nicht will, dass man mich hört. Aber das hat gepasst, ich liebe das Ergebnis. Man spürt Verletzlichkeit und Sanftheit. Ich denke an mein ungeborenes Kind und wie ich in das Kind verliebt sein werde, ich dachte an meinen Bauch und dass es bald so weit sei. Joe hat einen genialen Job gemacht, indem er es so hypnotisch und zugleich zart und romantisch klingen ließ, trotz des verrückten Sounds. Er ist ein wunderschöner Song. Es sollte ein Versprechen an meine Fans sein, bevor ich ein Kind habe und weg bin – ich wollte ihnen sagen, dass ich wiederkomme. Die Reaktionen waren großartig und ich wusste, dass ich es auf dem Album haben muss, denn es ist ein wichtiger Teil meiner Entwicklung. Ich bin stolz darauf, dass es eine klassische Kooperation wurde, und ich denke gern daran zurück.“In Your Eyes„Das war der erste Song, den ich und James für das Album geschrieben haben. Man spürt die Düsternis. Und auch, dass ich verbittert war und mich quälte. Das surrende Arpeggio und die Beats machen deutlich, dass ein Stream-of-Consciousness stattfindet. Es hat etwas Verzweifeltes. Und genauso ging es mir. Es ist eines meiner Lieblingslieder. Jules Buckley hat einen fantastischen Streicher-Part beigetragen, es klingt fast wie in einem Bond-Film. Das war der Moment, in dem ich meine musikalische Krise überwinden konnte.“Step Into My Life„Dieser Song entstand zusammen mit dem Londoner Künstler Adam Bainbridge alias Kindness. Wir kennen uns schon lange. Ich stellte mir die Strophen im R&B-Stil vor, sehr intim und fast lüstern, doch der Refrain sollte zu Disco übergehen. Adams Stimme im Breakdown klingt toll, man spürt die Botschaft – purer Groove und Attitüde. Dein Kopf bewegt sich dazu von ganz allein. Diese Nummer kannst du am Beginn einer Party spielen, um die Leute auf den Dancefloor zu kriegen.“Read My Lips„Das war ein Alleingang von James und mir, uns war nach richtigem Bubblegum-Pop. Wir zitieren ‚I Wonder If I Take You Home‘ [aus dem Album ‚Lisa Lisa & Cult Jam with Full Force‘]. Der Song hat eine geniale Bassline. Meine Vocals nahmen wir langsamer und tiefer auf, damit sie noch süßer, heller und höher klingen, wenn man sie mit normaler Geschwindigkeit abspielt. Ich wollte diesen etwas piepsigen Sound. Meine Stimme ist normal recht tief und melancholisch – ich habe noch keine Ahnung, wie ich das live singen soll. Vielleicht muss ich mir die Nase zuhalten oder so.“Mirage (Don’t Stop)„Diese Bassline ist unfassbar. Sie geht auf das Konto von Matt Tavares [von BADBADNOTGOOD]. Er ist ein Multiinstrumentalist, total talentiert und enthusiastisch. Benji B [der britische DJ und Producer] und Clarence Coffee Jr. waren ebenfalls beteiligt. Ich spürte, dass ich mein Selbstvertrauen und Mojo wieder zurückhatte, als wir diese Session begannen. Normalerweise kann ich das gar nicht, mit so vielen neuen Leuten. Aber es hat einfach sofort gefunkt. Ich war unsicher, ob die Zeile ‚Don’t stop moving‘ nicht ein bisschen zu platt ist. Aber Benji B meinte: ‚Auf keinen Fall. Du willst, dass die Leute tanzen. Das ist die perfekte Message.’ Und Benji B ist der Meister der Coolness. Wenn er es cool findet, dann bin ich zufrieden.“The Kill„Dieser Song hat eine fast hypnotische Qualität. Er klingt düster und nach dem Ende der Nacht, wenn alles noch zügelloser wird. Er ist aber auch schwierig zu beschreiben. Es geht um eine Person, die glaubt, dich gut zu kennen – vielleicht zu gut. Es steckt Unsicherheit darin und ist bewusst cinematisch angelegt. Ich wollte das Gefühl einer endlosen Autofahrt erzeugen, wenn man immer weiterfährt, als würde man vor etwas flüchten. Auch hier glänzt Jules Buckley mit den Streichern. Ich stellte mir etwas in Richtung Primal Scream oder Massive Attack vor. Live lässt sich das noch weiter steigern. Am Ende entsteht eine Helligkeit, ein Optimismus, als würde man sich aus all der Dunkelheit wieder herauskämpfen.“Remember Where You Are„Ein weiterer Song, auf den ich unglaublich stolz bin. Ich schrieb ihn, als Boris Johnson gerade die Regierung übernahm und die Lage elend war. Alles, was schiefgehen konnte, ging schief. Das steckt hinter der Zeile ‚The heart of the city is on fire.‘ Und obwohl es relativ fröhlich klingt, denke ich: ‚Denk daran, wo du bist, und dass Schmusen auch okay ist. Denk an die anderen Leute in deiner Nähe.‘ Ich glaube, es war auch eine Art Schlussstrich für mich, mit dem ich klarmachen wollte: ‚So werde ich weitermachen, und das ist einer der selbstbewusstesten Songs, die ich je geschrieben habe.‘ Eine deutliche Ansage. Und ich glaube, ich habe recht damit.“

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