UNHEALTHY (Deluxe)

UNHEALTHY (Deluxe)

Als Anne-Marie während der Pandemie eine Therapie machte, empfand die in Essex geborene Singer-Songwriterin diese als so transformierend, dass sie ihr zweites Album, „Therapy“ (2021), danach benannte. Doch dann begann sie, sich ein wenig zu stabil zu fühlen. „Als ich mich ans zweite Album machte, dachte ich: ‚Wow, ich bin wirklich ruhig und gefasst und ich kenne mich selbst‘“, erzählt sie Apple Music. „Aber es wurde so langweilig. Ich will verrückt sein und ich will wirklich traurig sein und ich will wirklich wütend sein. Ich glaube, deshalb ergab ‚UNHEALTHY‘ für mich so viel Sinn – weil ich so bin und meine Schwächen habe und all das bin, von dem ich das Gefühl hatte, dass ich es nicht sein sollte.“   Auf „UNHEALTHY“ – das die Geschichte von Anne-Marie Nicholson erzählt, die aus einer turbulenten Beziehung in eine neue, liebevolle Beziehung übergeht – akzeptiert der Popstar diese Fehler nicht nur. Vielmehr schwelgt sie in ihnen, etwa in „GRUDGE“, in dem sie es brillant ablehnt, die Bessere zu sein. Das Album ist aber auch ein Akt der Rebellion: gegen alle, die Anne-Marie vorschreiben, was sie zu tun hat, gegen das oft geschönte Bild des weiblichen Popstars – man vergleiche das extrem glattpolierte Cover von „Therapy“ mit dem von „UNHEALTHY“ – und gegen alle Erwartungen an sie. „Ich [wollte] erst einmal alles ausloten und die Vorstellungen der Leute von mir sprengen“, fügt Anne-Marie hinzu, die hier zwischen Pop-Rock („HAUNT YOU“), Country (der Titeltrack, unterstützt von Shania Twain), wiegenliedhaften Akustikgitarren („KILLS ME TO LOVE YOU“) und weitläufigen Balladen („NEVER LOVED ANYONE BEFORE“) pendelt, mit Anklängen an „Mambo No. 5“, „Oliver!“, Taylor Swift der „reputation“-Ära und einer Menge ironischem Wortwitz.   Die eigentliche Prämisse von „UNHEALTHY“ ist jedoch, dass Anne-Marie es erst schreiben konnte, als sie ihren bisher glücklichsten und gesündesten Zustand erreichte. „Ich wollte mich selbst wieder verlieren, aber immer noch in der Lage sein, mit Schmerzen und all diesen Dingen umzugehen“, fügt sie hinzu. „Ich glaube, es ist so wichtig, dass die Menschen ihr Gehirn nutzen – egal, ob es chaotisch oder geordnet ist. Wir müssen uns verlieren, um letztendlich zu erkennen, wer wir wirklich sind.“ Hier erzählt Anne-Marie von ihrem dritten Album – von „chaotisch“ bis „geordnet“ – und von der Kraft, die sie darin gefunden hat, ihre „unhealthy“ („ungesunden“) Tendenzen zu erforschen.   Das Chaotische:   Am Anfang ging es bei dem Wort „ungesund“ um Essen. Ich ging für eine Sitzung nach L.A. und bekam dieses Bild nicht aus dem Kopf: Ich esse Burger und rauche Zigaretten – das Fett tropft mir am Kinn herunter – und Eiscreme und Donuts und alles, was schlecht für mich ist. Ich bin definitiv stur, aber ich wollte es den Leuten auch schon immer recht machen. Irgendwann kam ich an einen Punkt, an dem ich dachte: „Was soll’s, ich werde tun, was ich will.“ Und wenn das bedeutet, Burger zu essen, obwohl ich im Moment etwas mollig bin, dann werde ich das verdammt noch mal tun. Das Cover ist am Ende nicht so geworden, aber ich wollte auf jeden Fall zeigen, dass ich nicht geschönt bin. Ich will ein normales Mädchen sein. Das Cover, für das wir uns entschieden haben, gab mir das Gefühl, wieder ein Kind zu sein, etwas, das ich auf dem letzten Album verloren hatte. Für das Shooting dachte ich: „Was würde ein Kind tun, wenn es ein Autofenster sieht? Es drückt sein Gesicht dagegen.“ Das ist das Kindlichste, was ich finden konnte.   Dann entwickelte sich „ungesund“ zum Thema Beziehungen. Essen, Zwangsroutinen, die du hast, deine eigenen Gedanken – all das kann ungesund sein. Aber während der Session in L.A. landeten wir auch bei den Beziehungen. Und bei der Erkenntnis, dass sie ungesund sein können, wenn deine Freunde und deine Familie nicht hundertprozentig hinter dir stehen: „Nein, Baby, sie sind nicht die Richtigen. Sie sind nicht gut genug für dich. Du kannst jemand Besseren finden.“ Und ich dachte einfach, dass die Leute das tun sollten, was sie tun wollen – und wenn die Person nicht die richtige für sie ist, werden sie es herausfinden und daraus lernen. Darum geht es im Titelsong mit Shania Twain.   Auch ich kann Beziehungen ungesund machen. Eine ungesunde Beziehung kann auch durch meine völlige Besessenheit von jemandem entstehen. Bei „OBSESSED“ wollte ich zurück in meine Musicalzeit und bekam den Song „I’d Do Anything“ aus „Oliver!“ nicht mehr aus dem Kopf. Wir waren in Amerika und ich ging ins Studio und sagte, dass der Refrain lauten sollte: „I’d do anything for you, boy, anything“. („Ich würde alles für dich tun, Junge, alles“.) „Oliver!“ war dort wohl nicht besonders bekannt, denn sie sagten alle: „Wow, das ist fantastisch!“ Ich hab definitiv eine Art von Verantwortung übernommen [auf diesem Album]. Bei „CUCKOO“ ging es darum zu sagen: „Bevor du dich auf mich einlässt, möchte ich dir genau sagen, wer ich bin. Und wenn du bleibst, bleibst du, und wenn nicht, auch gut.“ Es war ein starkes Gefühl, mit jemandem zusammen zu sein und von Anfang an ganz du selbst zu sein. Es war wie ein Bekenntnis zu mir selbst und zu sagen: „So bin ich.“   Vergebung ist nichts für mich. Ich wollte schon immer einen Song darüber schreiben, wie man seinen Ex zurückbekommt, aber in der Therapie sagte ich: „Nein, nein, schreib keinen Song darüber, du solltest einfach loslassen.“ Wir kamen auf die Zeile „My therapist said, ‚Keep calm and don’t react‘“ („Mein Therapeut sagte: ‚Bleib ruhig und reagiere nicht‘“), und der Rest von „GRUDGE“ entstand. Das hat Spaß gemacht. Ich habe die verrücktesten Dinge gegoogelt, die Leute gemacht haben, um ihre Verflossenen zurückzubekommen. Eine Person hat das Auto ihres Ex mit Frischhaltefolie an einen Laternenpfahl gewickelt und ich dachte mir: „Das ist das Beste.“ Ich habe Tattoos auf meinem Körper, die zeigen, was mir meine Freund:innen im Leben beigebracht haben, und auf meiner Schulter steht „Forgiveness“ („Vergebung“), nach meinem Freund Beanie, der so gut darin ist, anderen zu vergeben. Aber ich dachte mir: „Das will ich nicht. Ich will den Leuten nicht vergeben, wenn sie mich betrogen haben oder zu weit gegangen sind.“ Das Tattoo ist halb entfernt, weil ich das nicht in meinem Leben haben will.   Meine Version von Liebe ist chaotisch und verrückt. Auch die Liebeslieder auf diesem Album sind sehr verdreht. „KILLS ME TO LOVE YOU“ und „NEVER LOVED ANYONE BEFORE“ sind seltsame Titel für etwas über die Liebe. Ich könnte ein Liebeslied schreiben, das einfach nur wunderschön ist, mit Schmetterlingen und all dem, aber das ist einfach nicht das, was passiert. „KILLS ME TO LOVE YOU“ ist meine Version von Liebe. Es feiert auf seltsame Weise die verrückte Liebe, weil ich vorher mit jemandem zusammen war, der eine andere Version davon hatte, und es hat nicht funktioniert.   Das Geordnete:   Ich habe endlich verstanden, was ich wert bin. Ich habe eine lange Zeit gedacht, dass andere Künstler:innen meine Musik einfach nicht mögen, und das war hart. Und dann war die erste Session nach der Therapie, und ich arbeitete mit Niall Horan an [dem 2021er-Track] „Our Song“. Und ich dachte: „Wow, das ist gerade passiert. Und er wollte das mit mir machen.“ Bei „UNHEALTHY“ wusste ich einfach, dass Shania Twain perfekt dafür sein würde. Als sie auftauchte, war ich überrascht. War es eine Bestätigung, jemanden wie sie auf einem meiner Songs zu haben? Absolut. Sie ist so ein großer Star [für Frauen in meiner Altersgruppe], und sie ist schon so lange dabei.   Und ich wollte die Macht zurückgewinnen. In dem Song „PSYCHO“ ging es darum zu sagen: „Verdammt. Vielleicht bin ich ein bisschen verrückt, aber ich liebe es!“ Aber auch: „Ich mag in meiner Vergangenheit einige verrückte Sachen gemacht haben, aber das habe ich definitiv nicht verdient.“ Das Klavier erinnerte mich an die Titelmelodie von „Der rosarote Panther“, als würde sich etwas anschleichen. Es war cool und unaufdringlich, aber spannend. Ich glaube, wir haben alle eine Katharsis gespürt, als wir den Song gemacht haben. Es war spät nachts und wir lagen alle auf dem Boden und fühlten uns frei.   Ich habe eine Liebe gefunden, von der ich nicht dachte, dass ich sie jemals erleben würde. Ich habe „YOU & I“ [featuring Khalid] geschrieben, um den Leuten zu zeigen, wo ich in der Beziehung jetzt stehe. Und es sollte das Ende des Albums sein, weil ich nicht wollte, dass die Leute denken, ich sei wirklich verrückt! Es ist einfach ein wunderschönes Lied, und ich bin so froh, dass Khalid dabei war, denn seine Stimme passt einfach perfekt. Wenn ich dieses Lied höre, werde ich ganz emotional. Ich glaube, ich hätte nie gedacht, dass ich so eine Liebe finden würde. Wenn du diese Person gefunden hast, spielt alles andere keine Rolle mehr. Alles ist in Ordnung und alle Aspekte des Lebens sind einfacher.   Die Musik auf diesem Album ergibt mehr Sinn, weil ich mehr Sinn für mich selbst ergebe. Ich habe auf jedem Album versucht, so sehr ich selbst zu sein, wie ich nur kann. Aber wenn ich ehrlich bin, wusste ich bei meinem ersten Album nicht wirklich, wer ich als Künstlerin bin. Ich habe einfach nur Musik gemacht. Beim zweiten Album ging es darum, wirklich ehrlich darüber zu sein, was ich in der Therapie gelernt hatte. Aber es scheint, dass das dritte Album das ist, bei dem ich wirklich herausgefunden habe, wer ich als Mensch bin. Ich habe einen Punkt erreicht, an dem ich mich selbstbewusst fühle, an dem ich mich liebe und glücklich bin. Und ich glaube, das spiegelt sich in der Musik wider. Was hoffe ich, dass die Leute davon mitnehmen? Dass sie ihr Leben nicht für andere leben, sondern akzeptieren, wer sie sind, und keine Angst davor haben, das auch anderen zu zeigen. Ich hoffe, dass die Menschen die Kraft haben, ganz sie selbst zu sein, das zu tun, was sie wollen, und aus Beziehungen auszusteigen, in denen sie unglücklich sind.

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