Traces

Traces

„Run Free“: So heißt der zweite Song auf diesem Album. „You can let it go“, lautet eine der Zeilen: „Du kannst loslassen“. Das sagt eine Menge aus. Über „Traces“, das Michael Patrick Kelly ganz bei sich zeigt, aber auch über seine Karriere: Er war ein Kinderstar, schrieb unter anderem den wohl größten Kelly Family-Hit „An Angel“ – und verschwand bald aus der Öffentlichkeit. 2004 zog sich Michael Patrick Kelly in eine französische Glaubensgemeinschaft zurück und lebte dort sechs Jahre lang als Mönch. Zwar hatte er schon zuvor den musikalischen Alleingang gewagt, doch als er zurückkehrte, schien seine Stimme mehr Ruhe, seine Musik mehr Tiefe gefunden zu haben. Vier weitere Alben folgten, zuletzt 2021 „B.O.A.T.S“. Dessen warmer, zwischen Pop, Folk und Indie oszillierender Sound erfährt auf „Traces“ ein Update. Die Songs wirken kantiger, unmittelbarer. In „The One“ etwa wandern Kellys Blicke in die Arenen – man kann sich lebhaft vorstellen, wie dieser Song live vom Publikum mitgeschmettert wird. An anderer Stelle, zum Beispiel in „Glorious“, denkt man an die großen Britpop-Balladen der 1990er-Jahre. In „Love Found Us“ wiederum dimmt Kelly das Licht, zieht die Vorhänge zu: Nur eine zart gezupfte Akustikgitarre begleitet zunächst seine Stimme, erst nach einer Weile wehen aus der Ferne Streicher in die Musik. Dabei gelingt Kelly ein Kunststück – der Song ist eine Verbeugung vor der Liebe, ohne kitschig zu wirken. Dieser Abwechslungsreichtum zieht sich durch das gesamte Album. Die „Traces“, denen Kelly folgt, führen ihn quer durch verschiedenste Klangwelten – und in Regionen, die im Pop selten besungen werden, etwa im hymnischen „Calcutta Angel“. Oder in „Symphony Of Peace“, das sich als Soundtrack zu Kellys langjährigem Engagement für den Frieden lesen lässt. Das an den Folk Irlands und Großbritanniens erinnernde „The Day My Daddy Died“ schließlich ist eine berührende Verneigung vor Familienoberhaupt Danny Kelly, passenderweise ein Team‑up mit der Kelly Family. Am Ende bleibt das Gefühl, dass Michael Patrick Kelly auf „Traces“ nicht nur musikalischen Spuren folgt, sondern selbst welche hinterlässt. Spuren von Reife, Gelassenheit und einer Kunst, die aus dem Loslassen ihre Kraft schöpft.