The Kurt Weill Album

The Kurt Weill Album

Kurt Weills Leben war geprägt von den katastrophalen Kräften, die sein Heimatland Anfang der 1930er-Jahre heimsuchten. Eine bahnbrechende Aufnahme von Joana Mallwitz und dem Konzerthausorchester Berlin wirft ein neues Licht auf die beiden Sinfonien des Komponisten und liefert ein überzeugendes Plädoyer dafür, dass diese Werke es verdienen, viel bekannter zu sein. Ihr Album enthält auch das Ballett „Die sieben Todsünden“, eine beißende Gesellschaftssatire, die kurz nach der Machtergreifung Adolf Hitlers entstand. Weills „2. Sinfonie“ geriet auf Mallwitz’ Radar, kurz bevor sie 2023 ihre Arbeit als Chefdirigentin des Konzerthausorchesters aufnahm. „Ich kannte Weills ‚Dreigroschenoper‘ und seine Theaterwerke, aber von den Sinfonien hatte ich keine Ahnung“, erzählt sie Apple Music Classical. „Ich habe mich gefragt, warum so wenige Leute sie kennen. Ich scherze immer, dass alle sagen, sie lieben die Zweite Sinfonie, aber niemand kennt sie! Es macht so viel Spaß, sie zu spielen, weil das Orchester dabei glänzen kann.“ Die Musik von Kurt Weill resoniert stark mit Mallwitz’ Berliner Orchester: Das Konzerthausorchester wurde Anfang der 1950er-Jahre in Ostberlin als Antwort der Deutschen Demokratischen Republik auf die in Westberlin ansässigen Berliner Philharmoniker gegründet. Weill, in Dessau geboren und im jüdischen Viertel aufgewachsen, kam im Alter von 18 Jahren nach Berlin, um an der Hochschule für Musik zu studieren, später nahm er Unterricht bei Ferruccio Busoni. „Wo könnte man Weills Musik besser feiern“, fragt die Dirigentin, „als an der Geburtsstätte dieser beiden Sinfonien?“ Weill begann mit der Komposition seiner „2. Sinfonie“ im Januar 1933, dem Monat, in dem Hitler deutscher Reichskanzler wurde. „Die sieben Todsünden“ schrieb er kurz darauf im Pariser Exil. Das „gesungene Ballett“ erzählt von einer Familie aus Louisiana, die ihre Tochter in die große Stadt schickt, damit sie dort als Tänzerin ihr Glück mache. Bertolt Brechts Libretto spaltet Anna in zwei verschiedene Egos: Anna I warnt ihre Schwester vor den Todsünden Faulheit, Stolz, Zorn, Völlerei, Wollust, Geiz und Neid, wobei sie sie jedoch wie Tugenden klingen lässt; Anna II stimmt ihr meist zu. Katharine Mehrling, ein Star der Berliner Bühne, erweckt Anna I in Mallwitz’ Aufnahme zu feurigem Foxtrott-Leben. Die Nazis waren schnell dabei, Weills Ruf in den Schmutz zu ziehen, seine Werke galten als entartete Kunst. „Weills Name stand auf der Liste der Bücher und Musik, die verbrannt werden sollten“, bemerkt Joana Mallwitz. „Er war tabu!“ Die Partitur der „1. Sinfonie“, fügt sie hinzu, wurde jedoch vor der Verbrennung gerettet. „Sie fand ihren Weg zu einem Freund eines Freundes und landete in einem italienischen Kloster, wo die Nonnen sie versteckten.“ Das einsätzige Werk von 1921 wurde wiederentdeckt, nachdem Lotte Lenya, Weills Witwe und bahnbrechende Interpretin, per Zeitungsanzeige nach Informationen über die verlorenen Manuskripte des Komponisten gesucht hatte. Im Titel „Der Aufbruch eines Volkes zu Gott“ zitiert Weill das expressionistisch-pazifistische Festspiel „Arbeiter, Bauern, Soldaten“ von Johannes R. Becher, mit dem er und Brecht häufig zusammenarbeiteten. Die Sinfonie spiegelt das Bewusstsein für die zerstörerischen Triebe der Menschheit und den Kampf um soziale Gerechtigkeit wider. „Ich spüre ganz deutlich, wie sehr Weill von dieser Idee des Friedens und der Menschlichkeit geleitet war“, sagt Mallwitz. „In jeder Note hört man diesen jungen Komponisten, der so viele Ideen hat. Wenn man die große Idee darin nicht begreift, die für mich der Glaube an Frieden und Menschlichkeit ist, wenn man diesen Blickwinkel nicht findet, der das Stück zusammenhält, tendiert es dazu, auseinanderzubrechen. Ich empfand mit all meinen Kolleg:innen im Orchester eine tiefe emotionale Verbindung zu dieser Musik. Wir haben bei den Aufnahmesessions Blut und Tränen geschwitzt, um es perfekt hinzubekommen. Alle waren so motiviert und am Ende so stolz. Viele Beteiligte kamen zu mir und sagten: ‚Das ist nun unser Stück – das sind wir!‘“

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