Special

Special

Lizzo muss man eigentlich nicht mehr vorstellen. Das unendlich schlagfertige, verspielt großspurige und stolze Plus-Size-Kraftpaket kassiert schon seit einer Weile GRAMMYs und ist im Privatflieger unterwegs, und in vielerlei Hinsicht ist ihr viertes Album „Special“ ein Schnappschuss aus ihrer Sicht, nämlich von ganz oben. „Ich fühlte mich sehr unter Druck gesetzt, nach „Cuz I Love You“ weitere Knaller folgen zu lassen“, sagt sie gegenüber Apple Music. „Oder diese Post-‚Truth Hurts‘-Single-Girl-Ära-Lizzo einzufangen. Aber Konzepte waren noch nie wirklich mein Ding. Es fühlt sich an, als ob ich lügen würde. Stattdessen habe ich einfach ehrlich darüber geschrieben, wo ich die letzten Jahre war und wer ich geworden bin.Angesichts der turbulenten Zeiten hat sich der Ton des Albums ein wenig verändert. In seiner Anfangsphase war „Special“ ein politisches Projekt mit wütenden, protestorientierten Rocksongs – ein Weg, „die Ungerechtigkeiten, die ich in der Welt sehe, anzusprechen“, sagt sie. Aber während des Songschreibens wandte sie sich einer positiveren Sichtweise zu. „Ich habe angefangen, aus einer Position der Dankbarkeit heraus zu schreiben und nicht aus Angst, und das wollte ich immer“, sagt sie. „Egal, ob ich alles auf der Welt habe oder ob mir alles weggenommen wird, ich möchte immer, dass meine Basis Dankbarkeit ist. Diese Lieder sind eine Feier dessen, was ich jetzt bin.“ Gespickt mit witzigen Einzeilern („It’s bad bitch o’clock/Yeah, it’s thick thirty“), unverkennbaren Referenzen (Beastie Boys, Coldplay, Lauryn Hill) und kernigen Disco-Funk-Beats, die dich zum Tanzen bringen, sind diese temperamentvollen, charismatischen Hymnen ihre bisher abenteuerlustigsten. Sie beschreiben auch Lizzos Schlüssel zum Glück: Schätze deine Gaben und liebe zuallererst dich selbst.„The Sign“Das war ursprünglich Track zwei. Der erste Track, den ich hatte, war ein trauriges Lied über Liebe und Verlust, weil ich die Leute überrumpeln wollte. Denn ein traditionelles Lizzo-Album beginnt mit einer großen Eröffnungsnummer, es ist immer sehr unverblümt. Als sich das Album weiterentwickelte und ich mich damit anfreundete, nicht so viele dunkle Töne anzuschlagen, wurde mir klar, dass der richtige Weg, das Album zu beginnen, darin bestand, ehrlich zu sein. Das bedeutete: „Hi, Motherfucker!“ Diese unverblümte Fanfare. Ich finde, sie eignet sich auch hervorragend als Einstieg, denn mal ehrlich, wo sollte der Song sonst hin? Er kann nicht am Ende stehen. Er kann nicht in der Mitte sein. Es ist definitiv nicht Track drei. Es ist ein Auftakt. Er sagt: „Wir werden jetzt Spaß haben. Das wird eine musikalische Reise.“„About Damn Time“Ich mache schon verdammt lange Gute-Laune-Musik – schon seit „Good as Hell“ für Leute, die mich kennen. Als ich also einen Song wie „Juice“ mit diesem funky Disco-Feeling machte, war mir nicht wirklich klar, was ich da tat. Ich habe den Song einfach geschehen lassen. Bei „About Damn Time“ war es das genaue Gegenteil. Diesmal dachte ich: „Wir machen ein Disco-Album.“ Ich wollte einen Song, der sinnbildlich für die Zeit ist und sie widerspiegelt. Und ich assoziiere Disco mit Widerstandskraft; sie hat so vielen Menschen geholfen, eine dunkle Phase in diesem Land zu überwinden. Also hoffte ich, dass ein moderner Disco-Song eine ähnliche Wirkung haben würde. Also, ich weiß nicht, was noch auf uns zukommt. Die Dinge sind verrückt geworden. Aber ich weiß, dass wir immer in Bewegung sind. Ich wollte, dass dieser Song ein Ansporn ist, weiterzumachen.„Grrrls“benny blanco und ich hatten vor diesem Album noch nie zusammengearbeitet. Wir waren zusammen essen gegangen, aber wir hatten nie zusammengearbeitet. Dann hörte ich eines Tages, dass er ins Studio kommen wollte, und ich dachte mir: „Oh Mist, okay, lass uns das machen.“ Er kam mit einem Track und das war es. Ich habe ihn eine Weile sacken lassen. Irgendwann dachte ich: „Hör mal, das wird entweder der beste Song aller Zeiten oder die größte Zeitverschwendung.“ Denn die Beastie Boys gehören zu den größten Urhebern aller Zeiten. Niemand, und ich meine niemand, hat das getan. Bis jetzt. Mann, die Beastie Boys haben „Girls“ für meine Wenigkeit freigegeben. Ich fühle mich geehrt.„2 Be Loved (Am I Ready)“Das ist die erste Aufnahme, die ich mit Max Martin gemacht habe, und es ist ein Traum. Für jemanden wie mich, die Songs schreibt, seit ich neun Jahre alt war, die Musik studiert hat, seit ich zwölf Jahre alt war, und die davon träumt, Künstlerin zu werden, ist Max Martin der Traumkollaborateur. Bei den Aufnahmen war es, als würde man einer Legende in Aktion zusehen. Er ist eine extrem kooperative, offene und kreative Seele. Der Song ist eine Reminiszenz an die Zeit, als Pop-Songs noch Tonartwechsel hatten – die Goldene Ära des Pop der späten 80er- und frühen 90er-Jahre, als Sänger:innen riesige Alben herausbrachten, die stimmlich beeindruckend, aber auch tanzbar waren, und bei denen die Produktionsqualität ganz bewusst hochgehalten wurde. Ich denke, es ist ein Kunstwerk. Es ist ein Meisterwerk.„I Love You Bitch“„I Love You Bitch“ stammt aus einem Tweet – und ist nicht dasselbe wie „Truth Hurts“, also komm mir nicht mit Tantiemen, Twitter. Kurz nachdem „Rumors“ mit Cardi B erschienen war, twitterte Cardi, dass sie als Nächstes ein Liebeslied von mir hören wollte. Und ich: „Okay, wenn Lizzo ein Liebeslied machen würde, wie würde es lauten? I love you bitch?“ Es war einer der seltenen Fälle, in denen ich den Titel schon vor dem Lied hatte. Ich ging mit Omer Fedi und Blake Slatkin ins Studio und erzählte ihnen von meiner Idee. Omer fing an, Gitarre zu spielen, und ich hab dazu gefreestylt. Ich komme aus Houston und dort gibt es einen Rapper namens Z-Ro mit einem Song namens „I Hate U Bitch“. Plötzlich dachte ich mir, was wäre, wenn ich die Melodie von „I Hate U Bitch“ singe, aber stattdessen „I Love You Bitch“ sage? Es war einfach da, und es könnte das Beste sein, was wir je gemacht haben. Als ich den Text schrieb, wurde mir klar, dass ich ein universelles Liebeslied schreiben wollte – eines, das man der Person, mit der man schläft, ebenso vorsingen kann wie dem:der besten Freund:in, der Familie oder jemandem, den man gerade in einer Bar getroffen hat.„Special“Nach „Rumors“ habe ich eine Menge Gegenwind bekommen. Ich glaube, das lag daran, dass die Leute seit „Cuz I Love You“ nichts mehr von mir gehört hatten und das war ihre Gelegenheit, mich anzugreifen, weil ich wieder in Erscheinung getreten bin. Aber ich verwandle meinen Schmerz in Musik. Ich verwandle meinen Schmerz in einen Gewinn. Ich lasse ihn für mich arbeiten. Also ging ich ins Studio, um einen Song für mich selbst zu schreiben, der mich daran erinnern würde, wie besonders ich bin. In der zweiten Strophe sage ich: „Kannst du dir eine Welt vorstellen, in der alle gleich sind? Und du würdest ein Mädchen ausgrenzen, nur weil sie sich ändern will? Wie kannst du verdammt noch mal mit Steinen werfen, wenn du ihren Schmerz nicht selbst erlebt hast? Deshalb fühlen wir uns so allein, deshalb schämen wir uns so sehr.“ Ich habe versucht, den Leuten den Spiegel vorzuhalten, den gleichen Spiegel, in dem ich mich selbst prüfe. Ich sage: „Du greifst die Leute an, als wären sie das Monster, aber du bist selbst das Monster.“ Niemand gibt den Leuten den Raum, sie selbst zu sein, ihre Einzigartigkeit zu zeigen und zu wachsen.„Break Up Twice“Das ist meine zweite Traum-Kollaboration: Mark Ronson. Und ich kann euch sagen, dass dies der Inbegriff von Mark ist. Seinem Stil und seiner Ausstrahlung kann sich niemand entziehen. Bei der Arbeit mit ihm habe ich mich wieder wie ein Kind gefühlt, weil man einfach nur jammt. Und ich war früher in einer Rockband, das ist meine wahre Leidenschaft. Als ich den Gitarrenpart zum ersten Mal hörte, dachte ich mir: „Das klingt wie ein Klassiker.“ Und als ich Lauryn Hills „Doo Wop“-Akkorde hörte, dachte ich: „Sollen wir das sein lassen oder uns drauf einlassen?“ Wir haben uns darauf eingelassen. Sie lizenzierte es für uns an einem Tag und ich war außer mir vor Freude. Die Geschichte dahinter ist die folgende: Ich machte eine Grillparty und eine meiner Freundinnen hat dem Typen, den ich eingeladen hatte, die Hölle heißgemacht. Sie sagte: „Wenn du sie verarschst, werde ich deine Reifen aufschlitzen.“ Ich dachte mir: „Verdammt, ja!“ Ich nahm es mit ins Studio und Mark fand es genial. Die Idee ist: Ich lass mir das nicht noch mal nehmen. Wir machen das nur einmal und wir machen es richtig.„Everybody’s Gay“Ich wollte einen Fantasie-Song schreiben, wie einen dieser Hollywood-Songs, in denen man in ein Gemälde entführt wird, das ich male, eine Art Traumsequenz. Es ist sehr cineastisch. Ich wollte über eine wilde Kostümparty schreiben, bei der alle zusammenkommen und eine gute Zeit haben. Und nein, wenn ich singe „Nimm deine Maske ab“, dann meine ich nicht deine Atemschutzmaske. Ich meine die Maske der Person, die du nach außen hin aufrechterhalten musst, die Maske, die dein wahres Ich schützt. Nimm sie ab, denn wir akzeptieren dich in diesem Raum so, wie du bist. Dieser Song ist für mich musikalisch das Herzstück des Albums. Es ist ein wahres Füllhorn an Sounds.„Naked“Verdammt noch mal, wo soll ich nur anfangen? Pop Wansel hat diesen wunderschönen Track geschrieben und ich dachte mir: „Wenn ich diesen Track nicht verwende, werde ich ihn für den Rest meines Lebens nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Wenn ich diesen Beat nicht verwende, werde ich für den Rest meines Lebens an ihn denken.“ Ursprünglich wollte ich einen Song darüber schreiben, wie zufrieden ich mit mir selbst bin, aber dann habe ich mich als Mensch weiterentwickelt. Und während ich mich weiterentwickelt habe, wurde „Naked“ immer wieder umgeschrieben. Er hat sich mit mir weiterentwickelt. Jetzt geht es darum: „Wie sehr akzeptierst du mich?“ Er ist sehr persönlich. Ich habe Solange vor ein paar Jahren auf dem Lovebox Festival in London auftreten sehen und war beeindruckt von ihrem Auftritt, weil sie so viele Nuancen zeigte. Ich hingegen bin ganz der Draufgänger. Ich bin direkt, laut-laut-laut, Vollgas. Ich dachte mir: „Mann, auf meinem nächsten Album will ich Feinheiten.“ Denn es gibt nichts Vergleichbares zu der Kontrolle, die sie hat, zu der Kraft, die sie in der Stille hat. Bei „Naked“ singe ich den größten Teil des Liedes im Halb-Falsett. Ich improvisiere hier und da. Ich habe eine Unterhaltung. Ich flüstere. Außerdem hatte ich eine Sinusitis, als ich das gesungen habe, und ehrlich gesagt singe ich mit einer Sinusitis am besten.„Birthday Girl“Ich habe das mit [dem Produktionsduo] Monsters & Strangerz gemacht, und es entstand aus einem Freestyle. Ich sagte: „Hast du Geburtstag, Mädchen? Denn du siehst aus wie ein Geschenk.“ Ich glaube, das habe ich wirklich gefreestylt. Und sie: „Wow.“ Allerdings ging es in dem Song nicht um Geburtstage. Ich dachte, es würde die erste Zeile der ersten Strophe sein, aber dann redete ich weiter darüber, wie toll meine Freund:innen sind und so. Und sie meinten: „Nein, nein, das ist der Song.“ Ich klebte noch an der ursprünglichen Idee des Songs, in dem es darum ging, meine Freund:innen zu feiern und wie sehr ich sie liebe und schätze, aber dann wurde mir klar, dass Geburtstage das symbolisieren. Geburtstage sind eine große Sache für mich. Für alle meine Freund:innen versuche ich, ihren Geburtstag jedes Jahr zu einem großen Ereignis zu machen. Hubschrauber, Omarion, Eidechsen. Dreistöckige Torten. Wie ich in meinem Song sage: „When you’ve been through the most/You got to do the most.“ („Wenn du Großes durchgemacht hast, musst du Großes tun.“) Das ist eine Instagram-Überschrift fürs Leben.„If You Love Me“Das war der erste Song, den ich für das Album geschrieben habe, und es war etwas, das ich mir von der Seele reden musste. Er handelt von all den Momenten, in denen ich auf die Bühne gehe und mit dem Publikum spreche und sage: „Ihr zeigt mir so viel Liebe, so viel Unterstützung, und ich möchte euch dafür danken, dass ihr eine Frau unterstützt, die aussieht wie ich – eine große Schwarze Frau aus Houston, Texas. Wenn ihr die gleiche Energie für Leute aufbringen könntet, die wie ich aussehen, aber nicht Lizzo sind, die nicht auf der Bühne tanzen und euch unterhalten … Wenn ihr sie einer Frau auf der Straße zeigen könntet, ihr etwas Liebe und Respekt entgegenbringen würdet …“ Denn in der Vergangenheit war das nicht der Fall. Es geht um die Frage: Wie können wir uns die Zeit nehmen, freundlich zu uns selbst und zu der Person neben uns zu sein, egal wie sie aussieht oder woher sie kommt? Wie können wir den Respekt, den wir Entertainer:innen entgegenbringen, auf die Menschen in der realen Welt übertragen? Das ist eine Aufnahme, die Fans, die mir schon lange folgen, sofort verstehen werden, wenn sie sie hören.„Coldplay“Dieser Song ist buchstäblich aus einem 45-minütigen Freestyle zu einem Piano-Loop entstanden. Ricky Reed ließ mich in der Kabine sitzen und einfach reden, also fing ich an, von meiner Reise nach Tulum zu schwärmen, von den Erfahrungen, die ich dort gemacht hatte, und wie ich Coldplay sang und dabei weinte. Ein paar Wochen später sagte er: „Hey, erinnerst du dich an den Freestyle, den du in der Kabine gesprochen hast? Ich habe einen Song mit deinen Worten geschrieben.“ Er spielte mir einen Track vor, in dem Coldplays „Yellow“ gesampelt war, und ich dachte: „Wow, das ist verrückt.“ Ricky meinte: „Wir sollten es ‚My Love Is You‘ nennen.“ Und ich: „Nein, wir sollten es ‚Coldplay‘ nennen.“ Denn ihr solltet wissen: Schwarze Menschen nennen Leute nach dem Namen ihrer Band. Wir nennen Adam Levine Maroon 5. „Oh, da geht Maroon 5.“ Ich fand es witzig und richtig, einen Song, der Coldplay sampelt, „Coldplay“ zu nennen. Ihr Songwriting ist so einfach und poetisch. Also dachte ich mir: „Lasst uns sie ehren. Lasst uns nicht davor weglaufen.“ Auf diesem Album bin ich vor nichts davongelaufen. Wenn es eine These für dieses Album gibt, dann ist es das. Mich selbst zu umarmen.

Disc 1

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