Recuerdos

Als der Violinist Augustin Hadelich sein Album „Recuerdos“ zum Thema Spanien konzipierte, wandte er sich nicht dem offensichtlichen iberischen Repertoire zu, sondern den Konzerten eines britischen und eines russischen Komponisten. Allerdings war das Konzept gar nicht so abwegig, wie es vielleicht scheint. Benjamin Britten schrieb sein „Violin Concerto“ als Reaktion auf den Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs von 1936 bis 1939 und vollendete es im Exil in den USA. Die technisch anspruchsvolle Partitur gehört zu seinen eindringlichsten pazifistischen Aussagen, und der zweite Satz enthält Anklänge an den spanischen Flamenco.„Ich habe über die Verbindung von Brittens ‚Concerto‘ zu Spanien nachgedacht, die oft untergeht“, sagt Hadelich. „Normalerweise wird sie in den Programmhinweisen erwähnt, aber sie ist tatsächlich auch in der Musik präsent. Trotzdem war mir nicht wirklich klar, dass dies ein spanisches Album werden würde, bis ich überlegte, welche Werke zu Britten passen würden.“ Sergei Prokofjews „Violinkonzert Nr. 2“ stand ganz oben auf der Liste. Die Partitur, die 1935 in Madrid uraufgeführt wurde, erinnert im Finale an einen ausgelassenen Bauerntanz, gewürzt mit dem Klackern von Kastagnetten. Das Konzert hat nicht nur das spanische Element mit Brittens Partitur gemeinsam, es ist auch voller hinreißender Momente. „Die Kontraste sind so unglaublich groß“, sagt Hadelich. „Es reicht von diesen expressionistischen Momenten, die irgendwie beängstigend sind, bis hin zu einer unglaublich lyrischen, warmen und inspirierten Musik.“Hadelich rückte sein Thema noch stärker in den Fokus, indem er es mit Musik von zwei spanischen Meistern umrahmte: Pablo de Sarasates „Carmen Fantasy“ und einer Transkription von Francisco Tárregas Gitarrenstück „Recuerdos de la Alhambra“. „Wenn ich Stücke auf einem Album nebeneinanderstelle, interessiert es mich immer, wie anders man sie dadurch wahrnimmt“, sagt er. Bei der Einspielung dieses Albums fand Hadelich aktuelle Parallelen zu der Zeit von Britten und Prokofjew, als die Demokratien in Gefahr waren und globale Konflikte drohten. „Es gab viele andere Dinge, die in Europa vor sich gingen, die wirklich alarmierend waren“, bemerkt er. „Es war also vielleicht genau der richtige Zeitpunkt, um über diese Dinge nachzudenken.“ Lies weiter, wenn Hadelich uns durch „Recuerdos“ führt, Werk für Werk.„Carmen Fantasy“Sarasate wusste wirklich, wie man für die Violine schreibt und wie man ihre Qualitäten am besten zur Geltung bringt. Die Phrasierung, für die ich mich entscheide, ist die, die am meisten nach Gesang klingt, ergänzt um einige Geigenverzierungen. Eine Inspiration war die berühmte Live-Einspielung von Maria Callas, in der sie die „Habanera“ singt und die einfach fabelhaft ist. Sie ist nicht nur wunderschön gesungen, sondern auch sehr ausdrucksstark, anregend und kokett – und dabei so geschmackvoll. Und Sarasate versucht nicht, jedes berühmte Thema hier hineinzupacken. Der „Toreador Song“ ist zum Beispiel nicht in diesem Stück enthalten. Sarasate wusste, dass weniger mehr ist. Eine riesige Oper in ein Geigenstück zu packen, ist einfach zu viel.„Violin Concerto No. 2 in G Minor“Prokofjew hat seine eigene Verbindung zu Spanien. Eigentlich könnte das Stück gar nicht russischer sein, aber im letzten Satz verwendet er Kastagnetten, und er schrieb es teilweise in Spanien, kurz bevor der Bürgerkrieg ausbrach. Prokofjew hatte ein unglaubliches Talent, Geschichten zu erzählen. In diesem Fall gibt es keine programmatische Geschichte hinter dem Konzert, aber du kannst dir leicht vorstellen, wie sich eine Geschichte entfaltet, wie ein Märchen. Wir denken manchmal, dass Märchen kindisch sind, aber tatsächlich sind sie extrem dramatisch und aufregend. Es gibt einige Momente, in denen es sich wie Hexerei anhört, wie das Kichern von Hexen! Und das erreicht er, indem er alle Möglichkeiten der Orchestrierung nutzt und die Streicher auf dem Steg oder extrem kurz und perkussiv spielen lässt. Der Anfang des Concertos ist eindringlich und geheimnisvoll, weil die Violine ganz allein beginnt. Das Ende ist unglaublich aufregend, eine Art Achterbahnfahrt, bei der du einfach nicht locker lässt und hoffst, dass du die Ziellinie erreichst. „Violin Concerto in D Minor“Die spanische Atmosphäre ist an einigen Stellen in der Musik herauszuhören. Es gibt nur winzige Andeutungen von Flamenco oder sehr, sehr subtile Figurationen. Außerdem geht es in dem Stück um den Spanischen Bürgerkrieg. Britten war damals noch sehr jung, engagierte sich aber schon sehr für den Pazifismus und das hat ihn stark beeinflusst. Obwohl das Stück nicht übermäßig programmatisch ist, kann man es meiner Meinung nach als Ausdruck seiner Gefühle gegenüber dem Krieg sehen. Den Anfang könnte man als das Vorkriegsspanien sehen. Es ist recht idyllisch, aber der Militarismus drängt sich schon in den Vordergrund, und im zweiten Satz kommt es dann zu einem echten Konflikt und dem Krieg. Der dritte Satz handelt von der emotionalen Verwüstung, die aus dem Versuch resultiert, mit den Ereignissen klarzukommen. Er beginnt mit einer Passacaglia, eine musikalische Ausdrucksform, die Tragödie und Verlust sowie die Suche nach Hoffnung vermitteln kann.„Recuerdos de la Alhambra“Ich liebe die „Recuerdos“ als Gitarrenstück so sehr. Ich habe dieses Arrangement von Ruggiero Ricci kennengelernt und empfand es als eine sehr kraftvolle Zugabe nach dem Britten-Stück, weil es eine so wunderschöne Meditation ist, es fühlt sich fast so an, als würde es auf alles zurückblicken, was verloren gegangen ist. Ich versuche, das Stück so ruhig zu spielen, dass es sich tatsächlich wie eine Meditation anfühlt. Es geht nicht darum, die Noten so schnell wie möglich zu spielen, vielmehr hat es etwas Ruhiges an sich. Und das ist ein Gefühl, das ich zu erreichen versuche.

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