monsters

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Tom Odells viertes Album präsentiert sich als eine weitere musikalische Facette des in im englischen Sussex geborenen Künstlers. Anstelle der klaviergeprägten Singer-Songwriter-Stilistik des Debüts „Long Way Down“ (2013) und „Jubilee Road“ (2018) oder der High-Fidelity-Sounds von „Wrong Crowd“ (2016) finden wir jetzt eine viel rauere und klanglich ambitionierte Liedersammlung vor. Der zerfetzte Fuzz und die verzerrten Vocals von „problems“ oder die flirrenden Beats, die unter „fighting fire with fire“ wabern, erinnern an Thom Yorke oder den Schlafzimmerpop von Mica Levi. „Als die Pandemie zuschlug, war ich gezwungen, auf eine völlig andere Art und Weise aufzunehmen. Eine Herangehensweise, die dem Großteil zeitgenössischer Musik entspricht, nämlich in Isolation und über Laptops“, erzählt Odell Apple Music. „Wir haben experimentiert. Es war akribisch. Die Arrangements hier sind viel minimalistischer.“Auch lyrisch betrachtet hat er alles Gekünstelte ausgelassen. Auf dem aufrüttelnden Opener „numb“ und „monster v.2“ wirft er einen schonungslosen Blick auf seine eigenen Erfahrungen mit Angstzuständen und wiederkehrenden Panikattacken. „Es hat einige Zeit gedauert, bis ich realisiert habe, wie ich mich tatsächlich gefühlt habe und wie sehr ich zu kämpfen hatte“, sagt er. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es einen Punkt während des Schreibens oder des Aufnehmens gab, an dem ich dachte: ‚Ich muss ein trauriges Album machen, weil ich mich so fühle.‘ Es ist eher so, als ob ich mich selbst beim Songwriting beobachte, statt zu versuchen, es zu kontrollieren. Im Nachhinein stelle ich aber fest, dass ich mich in ziemlicher Dunkelheit befand und die meiste Zeit sehr traurig war.“ Glücklicherweise hat der Künstler inzwischen aus dieser Dunkelheit herausgefunden und aus dem Wirrwarr und dem Schmerz eine aufregende und emotional beeindruckende Platte geschaffen. Lass dich von ihm inspirieren, Track für Track.„numb“Wir Menschen haben diese natürliche Neigung, uns vor sensiblen und heiklen Situationen zu schützen. Wir sagen: „Oh, ich fühle mich echt traurig, aber vielleicht ist es in einer Stunde besser oder vielleicht war es auch gar nicht so schlimm …“ Wir bauen Abwehrmechanismen auf und ich habe ständig, besonders während des Aufnahmeprozesses, versucht, jegliche Abwehr niederzureißen und die Sache so schonungslos und so klar wie möglich in Worte zu fassen.„over you yet”Der Text ist leicht ironisch: „Designer logos, smiling in your photos/I think it kind of shows though, you haven’t gotten over me yet.” (Designer-Logos, lächelnd auf deinen Fotos / Ich denke, das zeigt irgendwie, dass du noch nicht über mich hinweg bist.) Ich habe mir viel Drake angehört. Das Geniale an ihm ist, dass seine Songs immer mit einer gewissen Traurigkeit verbunden sind. Es ist wie: „Schau her, ich bin verdammt unantastbar“, aber da ist auch diese Melancholie dabei. Im Sommer 2019 war ich auf Tour und hatte auf den ersten Blick eine gute Zeit. Ich reiste überall hin, spielte Shows, ich hatte Geld, aber es fühlte sich so verzweifelt an. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen und niemandem erzählt, wie ich mich fühlte. Ich finde es erstaunlich, welchen Schaden das sowohl bei einem selbst als auch bei den Menschen um einen herum anrichten kann.„noise“Bei Songs wie „noise“ ist definitiv Humor dabei. Ich hoffe wirklich, dass die Leute das verstehen und die Absurdität des Ganzen begreifen. Denn schließlich gibt es eine gewisse Absurdität in meinem Leben. Ich singe auch über Dinge, die persönlich sind. Ich singe darüber, wie ich mich als Person in Bezug auf die Medien fühle. Wie ich ständig mit Informationen gefüttert und aufgefordert werde, mich für eine Seite der Medaille zu entscheiden. Es ist ein Kommentar zur Spaltung der Medien und der sozialen Medien – und wie überwältigend das alles ist. Dieser überwältigende Druck der heutigen Zeit ist ein zentrales Thema auf dem Album.„money“Es ist lustig, wie man sich im Laufe der Zeit von seinem eigenen Namen loslöst. Wenn du aufwächst, hörst du deinen Namen immer nur, wenn der Lehrer ihn ruft oder du in Schwierigkeiten bist, und plötzlich ist das nicht mehr der Fall. Das ist nichts für schwache Nerven – und verdammt seltsam. Wenn man dann auch noch anfängt, es existenziell zu betrachten, ist es ein Fass ohne Boden. Wenn der Song wie Thom Yorke klingt: Ich liebe Thom Yorke. Und Jonny Greenwood.„tears that never dry”Wenn Kanye musikalisch variiert, nimmt er ein akustisch aufgenommenes Instrument und beschleunigt es um ein Vielfaches. Wir waren ziemlich besessen davon, diese Technik auf der ganzen Platte umzusetzen. Wir haben „tears that never dry“ sehr langsam aufgenommen und dann beschleunigt, sodass man diesen unglaublichen Sound erhält. Es wird warm, aber auch ein bisschen surreal, weil man es nie so spielen könnte, wie es jetzt klingt. Es ist ein bisschen wie in einer alternativen Realität.„monster v.2“Das war der Moment, in dem mir klar wurde, worum es auf der Platte gehen sollte. Ich litt so lange unter Panikattacken und Angstzuständen, dass es sich wie der Moment anfühlte, in dem ich mich diesem Monster, das mich so viele Jahre lang verfolgt hatte, endlich stellte – und darüber sang. Es war unfassbar befreiend. Es war der Moment, in dem es mir langsam besser ging. Ich fing zumindest an, darauf zuzugehen, statt wegzulaufen.„lockdown“Diesen Song haben wir im Studio [im Sommer 2020] geschrieben. Ich hatte eine ganze Reihe dieser kürzeren Tracks, die ich als eine Art Eckpfeiler für die Platte verwendet habe. Wenn ich mir das Album in fünf Jahren wieder anhöre, möchte ich mich daran erinnern, wie es sich angefühlt hat, eingesperrt zu sein. Für mich hat sich die Musik irgendwie roboterhaft angefühlt.„lose you again”Dieser Titel ist sehr emotional und sehr ausdrucksstark. Es war verdammt schwierig, ihn aufzunehmen; wir haben viel Zeit damit verbracht, ihn auf den Punkt zu bringen. Es ist einer der älteren Songs auf dem Album. Manche Songs fühlen sich einfach instinktiv richtig an und beschreiben eine bestimmte Zeit. Ich habe auch das Gefühl, dass er ein Element meines Charakters widerspiegelt, über das ich mehr gelernt habe – über diesen Druck, ein Mann zu sein, und den Druck, ein Held zu sein, und all diese Dinge.„fighting fire with fire”Ich habe den Song im Sommer 2019 geschrieben; da war so viel Scheiße rund um die Trump-Regierung und die wachsende Anzahl an Rechtspopulisten in der Welt. Es fühlte sich einfach so an, als würden wir die Kontrolle verlieren, und jedes Gespräch, das ich mit Freunden führte, war von Frustration geprägt. Aufgenommen haben wir den Titel erst im Sommer 2020 und Trump war immer noch an der Macht und der schreckliche Tod von George Floyd gerade passiert. Es ist definitiv der wütendste Song, den ich je geschrieben habe.„problems“Hier geht es um Alkoholprobleme. Ich habe in meinem Leben ziemlich viel damit zu tun gehabt. Gleichzeitig ist es sicherlich ein Thema, auf das ich ein bisschen sensibel reagiere. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die Songs sehr kurz zu halten, da wir dieses leichte Gefühl von Aufmerksamkeitsdefizit auf dem Album haben wollten.„me and my friends”Als ich 2019 eine Weile in L.A. lebte, lernte ich dieses obdachlose Mädchen kennen. Sie erzählte mir von ihren Erfahrungen mit Heroin und sagte zu mir: „Ihr denkt, dass wir verrückt sind, aber wir denken, dass ihr verrückt seid.“ Sie sagte: „Ihr habt einfach keine Ahnung davon, welche Erfahrungen wir machen.“ Ich merkte sehr schnell, dass Mitleid das falsche Gefühl ist.„country star“Mich interessierte schon immer diese Idee des Gewissens, also von diesem Gut und Böse auf jeder Schulter. Dabei fand ich die Idee spannend, dass „country star“ dieses leicht Böse präsentiert. Der Song erzählt die Geschichte vom Umgang mit Ruhm, mit einer Art „A Star Is Born“-artigem Pinsel. Im Prinzip hatte ich eine kurze Berührung mit weltweitem Ruhm, als mein erstes Album herauskam. Ich hatte zwar kein Interesse daran, aber es ist sehr verlockend. Und es ist sehr selbsterhaltend. Wenn man wirklich will, kann es so bleiben: Man kann mit den richtigen Leuten ausgehen und auf die richtigen Partys gehen. Der Preis, den man allerdings dafür zahlt, ist die Privatsphäre. Und dieser Preis war mir viel zu hoch, fand ich. Diese Erkenntnis musste ich mir eingestehen.„by this time tomorrow“Ich habe ein paar Leute gekannt, die ins Gefängnis mussten, und habe mich mit dieser Idee, gefangen zu sein, auseinandergesetzt. Eines Nachts bin ich aufgeblieben und habe einen Song über das Gefühl, eingesperrt zu sein, geschrieben. Auch das ist übrigens eine Auseinandersetzung mit der eigenen Männlichkeit.„streets of heaven”„streets of heaven“ handelt von einer Schulschießerei, geschrieben aus der Perspektive von jemandem, der getötet wurde. Natürlich ist das ein unglaublich heikles Thema, mit dem ich keine persönliche Erfahrung habe, aber ich versuche, unvoreingenommen zu bleiben. Ich versuche, mich einzufühlen und mir vorzustellen, wie das sein muss. Ich hoffe wirklich, dass die Leute nicht denken, dass ich mich in Dinge einmische, von denen ich keine Ahnung habe. Als Künstler denke ich nur, dass ich immer das Recht habe, mitzufühlen und zu beobachten.„don’t be afraid of the dark”Es ist ein hoffnungsvoller Titel. Es ist der Song, den du bei meiner Beerdigung spielen würdest. Das Klavier klingt, als wäre es in einem riesigen Raum aufgenommen worden, dabei waren wir nur in einem kleinen Studio. Ich würde nicht sagen, dass das Album superdüster ist; letztlich ist es ziemlich hoffnungsvoll.„monster v.1“Ich hatte nie geplant, am Ende des Albums eine weitere Version von „monster“ zu bringen. Kurz bevor ich [die Single] herausbrachte, hatte ich diese akustische Version und ich dachte mir: „Das ist die Version, die ich veröffentlichen muss. Ich kann diese aufpolierte Fassung nicht rausbringen, es muss diese rauere sein.“ Also rief ich in der Nacht, in der die veröffentlicht werden sollte, die Plattenfirma an und sagte: „Das können wir nicht machen.“ Sie waren echt sauer, weil sie mit der Planung komplett fertig waren. Aber ich bedauere es nicht. Ich habe das Gefühl, dass es künstlerisch gesehen das war, was ich tun musste.

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