Only Child

Only Child

„Dies ist mein Quarterlife-Crisis-Album“, erklärt Sasha Sloan gegenüber Apple Music. Nach drei EPs gibt sie mit „Only Child“ ihr Longplay-Debüt. Die 25 Jahre alte Singer-Songwriterin war erst kürzlich von Los Angeles nach Nashville gezogen („günstigere Mieten und nettere Leute“), um sich ihren Traum zu verwirklichen und ihr erstes Album in einem der legendären Studios der Musikmetropole aufzunehmen. Allerdings machte ihr die COVID-19-Pandemie dabei einen Strich durch die Rechnung. „Es lief dann darauf hinaus, dass ich das ganze Album zu Hause aufgenommen habe. Unterstützt wurde ich nur von meinem Producer, der praktischerweise auch mein Freund ist“, erzählt sie. „Einerseits hat mich das eingeschränkt, aber gleichzeitig war es auch sehr befreiend. Ich konnte so vollkommen in meine eigene Welt eintauchen.“ Und wie sich herausstellte, war Einsamkeit das ideale Szenario, um diese gefühlvoll-kontemplativen Songs zu schreiben. Songs, die uns mit Sloans aufgeschlossener Persönlichkeit, ihrer „Gegen den Strich“-Einstellung und ihrem Gespür für Geschichten bekannt machen. „Es ist ziemlich leicht, sich nur auf Liebes- und Trennungssongs zu beschränken. Aber in mir steckt viel mehr, als nur darüber zu schreiben, wen ich gerade daten will“, sagt sie. „Ich wollte, dass jeder Song eine wirkliche Geschichte erzählt. Egal ob ich dabei mit dem Verhältnis zu meinem Körper kämpfe oder ob es darum geht, wie ich mich fühle, wenn ich online meine Meinungen von mir gebe.“ Im Folgenden führt uns Sasha Sloan Song für Song durch das ganze Album.Matter To You „Eines Nachts habe ich mal einen Haschkeks gegessen und bin dann auf eine interessante Webseite geraten. Dort sieht man, wie sich von einem Atom alles langsam in einen immer größer werdenden Maßstab entwickelt. Auf einmal ist es eine Pflanze, dann ein Stein, bis man schließlich bei der Distanz zu dem Zwergplaneten Pluto angelangt ist. Danach fühlte ich mich so klein. Wenn man mich fragt, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist, dann neige ich zu Letzterem. Und wenn ich darüber nachdenke, wie groß die Welt ist, dann fühle ich mich wirklich klein und unbedeutend. Dieser Gedanke kann schon ein wenig erdrückend sein. Aber mit der Zeit habe ich erkannt, dass man seine Bestimmung in der Liebe finden kann. Der Song ist ein bisschen bittersüß. So in der Art: ‚Hey, ich fühle mich hier wirklich klein und ohne Sinn, aber du gibst ihn mir auf eine gewisse Weise.‘ Ich dachte, dass das ein netter Start für das Album wäre.“Only Child „Den Titel hatte ich mir schon vor langer Zeit in meinem Smartphone notiert. Aber ich wusste nie, was ich darüber schreiben könnte oder was dabei der Aufhänger sein könnte. Eines Tages hatte ich eine Schreibsession mit King Henry und Shane McAnally. Und Shane sagte irgendwann: ‚Okay, es ist schon einsam, wenn man ein Einzelkind ist.‘ In diesem Moment strömte der ganze Song aus mir heraus. Mir ist noch in Erinnerung, wie ich später im Bett lag und mir immer wieder das Demo angehört habe. Ich hatte das Gefühl, dass mir der Song einiges darüber klarmachte, warum ich so bin, wie ich bin. Ich bin eine ziemliche Zynikerin. Meine Mutter hat mich über viele Jahre allein aufgezogen und ich musste schnell erwachsen werden. Einzelkinder fühlen sich oft als Außenseiter, weil wir nicht lernen, mit anderen zu streiten, wie man sich wieder verträgt und wie man dadurch als Mensch reift. Auf eine Weise legt der Song dar, wer ich bin. Er ist schon recht allumfassend.“House With No Mirrors „Mein Freund und ich wollten ins Studio und ich machte mich gerade ausgehfertig. Ich musste noch meine Jeans anziehen und brach dabei in Tränen aus. Ich hatte einen wirklich schlechten Tag. Die Hose war etwas enger als sonst und mein Freund sagte: ‚Oh Mann, wir brauchen ein Haus ohne Spiegel.‘ Es endete damit, dass wir mit diesem Titel in die Studiosession gingen. Die Frau, mit der wir zusammenarbeiteten, konnte das direkt nachvollziehen. Für mich war es wichtig, das so real wie möglich darzustellen. Ich mag die Songs über Körperwahrnehmung nicht sonderlich, wenn sie so überbetont aufbauend sind. Das kommt mir nicht echt vor. Wenn mich jemand aus dem Radio anbrüllt, dass ich schön sei, dann bringt mir das nichts. Ich hatte sehr lange mit Essstörungen und einer gestörten Körperwahrnehmung zu kämpfen. Also suchte ich mir echte Erfahrungen aus meinem Leben, um diese Art von Verwundbarkeit genau schildern zu können. Es war beängstigend, den Song zu veröffentlichen. Ich postete ihn, legte mich auf die Couch und hatte die nächsten zwei Stunden eine Panikattacke.“Lie „Ich bin wahrscheinlich zu empathisch. Meine Mutter ist auch so. Wir sehen den Schmerz anderer Menschen und empfinden ihn mit. Als ich diesen Song geschrieben habe, machte ich gerade eine Trennung durch. Allerdings war ich diejenige, die Schluss gemacht hatte. Trotzdem fühlte ich mich genauso unglücklich und wahrscheinlich sogar noch mehr, weil ich Schuldgefühle hatte. ‚Lie‘ entstand, als ich mir das alles noch mal durch den Kopf gehen ließ – wie er sich fühlt und was er wohl denkt. Es war das erste Mal, dass ich einen Song aus der Perspektive von jemand anderem geschrieben habe. Natürlich habe ich auch selber schon ziemlich oft eine Abfuhr bekommen und weiß, wie sich das anfühlt. Es ist das Gefühl von Verzweiflung und dass man sich eingestehen muss, dass man eben nicht die Richtige ist.“Hypochondriac „Ich konnte früher schon ein ziemliches Miststück sein. Schlimmer noch als heute. Abgesehen von meinen Essstörungen habe ich auch sonst nicht sonderlich auf mich geachtet. Meine Ernährung war grausam. Ich rauchte Tonnen von Gras und Zigaretten. ‚Vitamine‘ war ein Fremdwort für mich. Ich bin fast nur mit Fast Food aufgewachsen und ich bin mir sicher, dass die schlimmen Angstzustände, die ich habe, ein Ergebnis davon sind. Es hängt immer davon ab, in welcher Lebensphase ich mich gerade befinde. Und in letzter Zeit habe ich mich zur echten Hypochonderin entwickelt. Ich war gestern wirklich beim Zahnarzt, weil ich dachte, dass ich an einer Zahninfektion sterbe. Mit dem Zahn war aber alles in Ordnung. Das ist das Level an Irrsinn, das ich meine.“Is It Just Me? „Ich bin absolut besessen von Reddit. Besonders liebe ich das Unpopular Opinion-Subreddit und mir war klar, dass ich einen Song darüber schreiben muss. Die Idee ist: Ich bin sicher, dass meine unpopuläre Meinung eigentlich eine sehr populäre Meinung ist. Die Leute trauen sich nur nicht, sie auch auszusprechen. Wir leben in einem solch hypersensiblen gesellschaftlichen Klima, dass man Angst hat, etwas zu sagen. Aber das ist falsch. Wir sollten in der Lage sein, uns ausdrücken zu können. So beängstigend es war, den Song zu veröffentlichen, so viel Spaß hat es gemacht, ihn zu schreiben. Es hat ewig gedauert, den Text zu schreiben, denn ich wollte sicher sein, dass meine Beispiele wirklich unpopuläre Meinungen sind, ohne dabei zu abseitig zu sein. Und man sollte mitsingen können.“Santa's Real „Dieser Song sollte eigentlich der Versuch sein, abgeklärt und zynisch zu sein. Man wird erwachsen und stellt fest, dass vieles in der Gesellschaft eigentlich nur zusammengeschustert ist und auch manipuliert wird. Aber dann passierte die Pandemie. Überall auf der Welt brannten Wälder und zum ersten Mal in meinem Leben kamen mir meine eigenen Probleme ziemlich unbedeutend vor, denn alles andere war noch schlimmer. Ich war im ersten Schuljahr, als 9/11 passierte, und obwohl ich merkte, dass etwas wirklich Tragisches geschehen war, spielte ich weiter mit meinen Spielsachen. Ich hatte es nicht begriffen. Im Endeffekt wurde so ‚Santa's Real‘ zu einem Song darüber, dass ich mir manchmal wieder wünsche, ein Kind zu sein, um so nicht mitzubekommen, wie schwer das Leben sein kann.“Someone You Hate „Irgendwann dachte ich an einen meiner Ex-Freunde. Daran, dass wir wirklich mal dicke Freunde waren und er mich jetzt dafür hasst, weil ich ihm diesen ganzen Mist zugemutet habe und es eigentlich so nicht hätte sein müssen. Dieser Song kommt der Wirklichkeit wahrscheinlich näher als andere Songs, die ich je über einen Ex geschrieben habe. Ich glaube, das kommt daher, weil inzwischen genug Zeit vergangen ist und die Wunden angefangen haben zu heilen. Ich kann mir das, was damals geschehen ist, jetzt wieder vor Augen führen, ohne mich dabei teilweise selbst in Schutz zu nehmen. Und das ist wichtig, denn in Musik steckt die Kraft der Genauigkeit. Und das ist es, warum man seine eigenen Gefühle in einem Song wiederfinden kann.“Until It Happens To You „Der Cousin eines sehr engen Freundes von mir ist an Leukämie gestorben. Es passierte sehr schnell. Wenn jemand, den man liebt, so etwas erlebt, dann möchte man ihm alles geben, obwohl man weiß, dass es nicht genug ist. Ich habe glücklicherweise noch niemanden verloren und selbst bei Beerdigungen fühle ich mich immer etwas distanziert. Wahrscheinlich weiß ich deswegen nie, was ich sagen soll. Ich habe das Gefühl, dass meine Worte nicht ausreichen, weil ich es noch nicht erlebt habe. Ich habe versucht, diese Frustration in einem Song zu kanalisieren. Ich wollte, dass er wirklich voller Gefühl ist. So wie ein Effekt wie bei Explosions in the Sky, der dich wie eine Welle trifft. Es war eine Möglichkeit für mich auszudrücken, wie sehr ich für sie da sein möchte.“High School Me „Dieser Song fing mehr aus Spaß an, als ich mir die verhassten Bilder aus meiner Highschool-Zeit angesehen hatte. Ehrlich gesagt glaube ich, dass ich standardmäßig immer zu Humor greife, wenn mir etwas unangenehm ist. Als ich Shane die Songidee vorspielte, sagte er: ‚Oh mein Gott! Das kann ich absolut nachvollziehen.‘ Wir beide spüren dieselbe erdrückende Peinlichkeit, wenn wir an diese Zeit denken. Und das, obwohl wir stolz darauf sind, was wir inzwischen erreicht haben. Auch wenn ich manchmal Rückfälle habe, wie ich sie zum Beispiel schon bei ‚House With No Mirrors‘ beschrieben habe. Ich finde es schön, dass das Album mit der Zeile aufhört: ‚I wish I could go back/Tell her it's okay.‘ Das bedeutet: Auch wenn nicht alles perfekt ist und ich mich immer noch nicht ganz liebe, so ist doch eigentlich alles okay.“

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