Diplo Presents Thomas Wesley: Chapter 1 - Snake Oil

Diplo Presents Thomas Wesley: Chapter 1 - Snake Oil

Bevor Thomas Wesley Pentz als Diplo mit seinen DJ-Sets kulturelle Grenzen einriss und als cleverer Provokateur die Popwelt aufmischte, verbrachte er seine Jugend in Florida mit christlichem Radio, Country-Hits und Hip-Hop. „Bei mir lief „Rap City“ auf BET, direkt gefolgt von CMT [ein US-amerikanischer Country-Fernsehkanal], wenn ich aus der Schule kam“, erzählt er Apple Music. „Das war für mich gleichrangig. Ich fand Tim McGraw und Alan Jackson genauso gut wie Wu-Tang [Clan] und Dr. Dre.“ Country war vor Kurzem noch kein Thema für Genre-vereinende Maximalisten, doch der einschlagende Erfolg von abtrünnigen Außenseitern wie Lil Nas X und Orville Peck änderte Diplos Sichtweise: „In dieser Welt sind sie Punkrock“, sagt er. „Sie kommen als Außenstehende und beweisen so, dass die Nashville-Regeln nicht mehr gelten.“ Nachdem er monatelang nach passenden Country-Künstlern für eine Zusammenarbeit suchte, fand er ein paar, die bereit waren, dem Ganzen eine Chance zu geben – wie etwa Thomas Rhett und Morgan Wallen. „Das sind große Mainstream-Country-Stars, die ein Gespür für den Zeitgeist haben“, so Diplo. „Trotzdem haben sie mit diesen Aufnahmen für mich viel riskiert.“ „Snake Oil“ – eine hybridisierte Abhandlung von Klischees mit einem Hauch Selbstironie – hinterfragt die Definition von Country im Jahr 2020. „Es ist meine eigene Interpretation davon“, sagt er. „Country ist ein Medium, ein Vehikel – und bei mir ist es ein Pickup-Truck mit Heckspoiler, tiefergelegt und in verrückten Farben lackiert.“ Hier führt uns Diplo durch alle Songs und Kollaborationen seiner brandneuen Karre.Intro (feat. Orville Peck)„Orville schrieb mir Nachrichten, bevor ich überhaupt wusste, wer er war, und wir wurden richtig gute Kumpels. Wir hängen zusammen ab. Als wir an ‚On Mine‘ von Noah Cyrus arbeiteten, fragte ich ihn, ob er mir ein Intro für mein Album machen würde – einen Gitarrenloop, weil ich meinen eigenen Spoken-Word-Part hinzufügen wollte. Am Ende machte er das ganze Ding allein und ich liebte es. Besser kann man dieses Album nicht einleiten, auf dem sich all diese verschiedenen Formen von Country und Pop miteinander verbinden. Orville ist die ausgefallenste Figur in dieser ganzen Szene, deshalb finde ich es so passend. Es bereitet darauf vor, dass nichts von all dem, was folgt, konventionell ist. Wir nehmen alles auseinander. Wir machen unser eigenes Ding. Das ist das Motto meiner Crew.“So Long„Das war der erste Country-Song, an dem wir arbeiteten, allerdings eher zufällig. Er kam zustande, während ich ein Songwriting-Camp für mein anderes Projekt Silk City abhielt. Diana Gordon, die mir bei vielen Melodien half, entpuppte sich dabei auch als totaler Oldschool-Country-Fan. Sie fing an, eine Country-Melodie zu spielen und wir bauten den Song darauf auf. Uns kam die Idee, beim Stagecoach [Festival 2019] zu spielen, und [Country-Newcomer] Cam und ich veröffentlichten den Song eine Woche vor dem Event. Es wurde eine großartige Show. Lil Nas X und Sam Hunt waren mit mir auf der Bühne, das Zelt war komplett voll. Man merkte, dass da bei den Leuten etwas passierte. Im Prinzip habe ich den Gig ohne Gage gespielt. Ich musste auf eigene Kosten anreisen. Doch es war eine der besten Shows des Jahres. In den Monaten darauf arbeitete ich dann an dem Album.“Heartless (feat. Morgan Wallen)„Mein Management steht voll auf Country – sie vertreten auch Sturgill Simpson – und sie stellten mir schon früh Morgan Wallen vor. Sein Vokuhila überzeugte mich am meisten. Ich sagte: ‚Jep, cool. Bei dem Vokuhila-Typen bin ich dabei.‘ Er ist eine Art Rebell. Ich sah ihn mir bei einer seiner Shows an und wir beschlossen, zusammenzuarbeiten. Doch dann dauerte es etwas, weil sogar er irgendwie Angst davor hatte. Wir probierten für diesen Track Trap-Drums aus – ich machte mir keine Gedanken darüber, es passte vom Tempo her einfach gut – und am Ende war es so kontrovers. So läuft das in Nashville. Ein ganz spezielles Pflaster. Die Leute dort wollen eigentlich keinen Diplo-Song im Country-Radio. Sie wollen, dass alles bleibt wie gehabt, und sie wollen den Klang der Musik kontrollieren – dagegen haben wir uns monatelang gewehrt. Wir konnten das letztendlich zu unserem Vorteil nutzen. Morgan meinte: ‚Okay, lass es uns machen. Das wird eben meine verrückte Nummer.‘ Und es wurde unser größter Song. Er hat bereits dreifach Platin erhalten. Der Song bleibt ganz oben und findet ein neues Publikum.“Lonely„Wir schrieben das im selben Songwriting-Camp in Malibu – und diese Jungs kamen einfach rüber. Es war noch die Zeit vor der offiziellen Reunion der Jonas Brothers. Mein Kumpel Ryan Tedder fragte mich, ob wir etwas zusammen machen wollten, weil die Jonas Brothers nun wieder vereint seien. Also nahmen wir den Song auf, der nicht stark nach Country klang, aber dann schaffte er es nicht auf ihr Album. Also schrieb ich ihn um und bearbeitete ihn im Country-Style. Dennoch ist es der deutlichste Pop-Track der Platte. Es sind nun mal die Jonas Brothers, was will man machen? Wie soll ich mit ihnen einen Trap-Song aufnehmen?“Dance With Me„Ryan [Tedder] arbeitete bereits an dem Song und erwähnte, dass Thomas Rhett mitmachen würde. Ich sagte: ‚Den kenne ich! Das ist ein Country-Typ.‘ Aber es war eine Pop-Nummer. Ich fühlte sofort, dass das perfekt zu meinem Projekt passen könnte. Schließlich sagte Ron Perry von Columbia Records, dass wir ein Feature bräuchten, und Young Thug war dabei die merkwürdigste Wahl, die uns einfiel. Und er hat es hingekriegt. Der Song ist völlig abgefahren, aber auch total kommerziell, und das ist Absicht. Es sollte ein Statement sein zu der Frage, wer was machen darf. Denn sogar das Team von Thomas Rhett sagte: ‚Wir sind uns nicht sicher mit Young Thug.‘ Sie haben es nicht gecheckt. Sie sind gewohnt, alles ganz langsam anzugehen und immer nur korrekte Entscheidungen für ihre Karrieren zu treffen. Aber ich sagte: ‚Vertraut mir einfach mit dem Vocal-Part. Ich sorge dafür, dass er großartig wird.‘ Auch später hatte Thomas keinen Plan, wer Young Thug war, er verstand den Text nicht – und doch gefiel es ihm. Er zeigte den Track seinem Vater oder Schwiegervater – und der meinte: ‚Großartig. Ich verstehe auch nicht, was er sagt, aber ich liebe die Energie dahinter.‘ Damit war auch Thomas zufrieden.“Do Si Do„Von Blanco [Brown] gibt es diese echt coole Nummer ‚The Git Up‘, eine Fusion aus Hip-Hop und Country, die ein Hit im Country-Radio wurde. Ich liebte sie. Ich bin DJ, deshalb wollte ich eine Dance-Version davon machen – Line Dance, versteht sich. Wir haben eine schnelle Version von ‚I’ve Been Everywhere‘ von Johnny Cash gemacht und begannen, zu freestylen. Die Hook stammt von mir. Dann kam noch die Mundharmonika dazu. Und das war’s.“On Mine„Den Song habe ich bereits vor Jahren mit MØ geschrieben, der dänischen Künstlerin, mit der ich schon ‚Lean On‘ gemacht hatte. Es war ein völlig anderer Song, lo-fi und downtempo, und ich wusste lange nicht, wohin damit. Stück für Stück habe ich ihn umgebaut, Tempo und Sound verändert, bis er cool klang. Ich fragte mich, wer ihn singen könnte. MØ war mit einem eigenen Projekt beschäftigt, also bat ich Noah [Cyrus] und sie sang es am nächsten Tag ein. Orville spielt hier übrigens Gitarre und ein bisschen Schlagzeug.“Real Life Stuff (feat. Julia Michaels & Clever)„Julia ist eine sehr gute Freundin von mir, und aus den paar Demos, die wir mit Amy Allen aufnahmen, stach das hier heraus. Es fehlte noch ein Feature und wir hatten schon alle Country-Möglichkeiten ausgeschöpft. Clever hatten gerade diesen Song mit Justin Bieber veröffentlicht, und ich bin total auf seine Stimme abgefahren. Es stellte sich heraus, dass er aus Alabama kommt. Auch wenn er nicht direkt ein Country-Künstler ist, hat er den passenden Südstaaten-Vibe im Blut.“Hometown (feat. Zac Brown & Danielle Bradbery)„Das war eine verrückte Geschichte. Ich schrieb den Song ursprünglich mit Sam Hunt, doch dann brachte er ‚Kinfolks‘ raus, das quasi denselben Chorus hatte. Ich fragte ihn: ‚Was machst du da, Dude?‘ Er sagte: ‚Oh, ich kann mich nicht mehr erinnern …‘ Also habe ich mir einen anderen Sänger gesucht, denn ich fand, dass die Songs unterschiedlich genug klangen, sodass man immer noch etwas Tolles daraus machen konnte. Mit Zac Brown war ich seit Jahren in Kontakt. Er kam mal extra mit seinem Privatjet, um mich und Skrillex in New Orleans zu sehen, ein solcher Fan ist er. Auch beim Voodoo Fest trafen wir uns. Er fing an, aufzulegen, wir verstanden uns bestens. Als ich den Song fertig hatte, fragte ich ihn: ‚Hey, hast du Lust, das zu singen?‘ Er änderte manche Stellen und hat richtig abgeliefert. So wurde daraus diese entspannt groovende Nummer. Er ist auch so was wie ein Nashville-Außenseiter, kommt eher aus der Jam-Band-Ecke. Seine Gigs sind überwältigend.“Heartbreak„Das war der letzte Song der Aufnahmen. Die Manager von Morgan Wallen managen auch Ben Burgess und brachten uns diesen Song, den sie gerade fertiggestellt hatten. Es war eigentlich nur ein Gitarrenschnipsel, aber ein richtig guter, und uns fehlte noch etwas, um das Album abzurunden. Wir nahmen Drums und Gitarren auf, schickten es zurück, und es gefiel ihnen. Sie sind quasi die coolen Typen in Nashville. Deshalb hören wir alles an, was sie uns schicken. Das Schöne an Nashville ist, dass es dort so viel Material gibt. Keine Stadt hat mehr Studios. Dort hauen sie eine Nummer nach der anderen raus. Aber Country-Künstler machen nur eine oder zwei Platten pro Jahr, deshalb existieren all diese Songs, die ich neu interpretieren kann. So ist im Prinzip das ganze Album entstanden.“Heartless (feat. Morgan Wallen)„Diese Version entstand, weil wir den Song ins Pop-Radio bringen wollten. Mit den Country-Fans lief es gut, die Zahl der Streams war hoch. Morgan hat jedoch eine richtige Redneck-Stimme, die ein Pophörer nicht ignorieren kann. Deshalb nahmen wir Julia mit ins Boot, um den Country-Faktor abzuschwächen. Bei jedem Remix geht es doch darum, ein bestimmtes Publikum zu erreichen. Man kann in verschiedenen Situationen neue Hörer gewinnen. Ich habe durch dieses Projekt viel über das Konzept der Genres gelernt. Nie hätte ich gedacht, wie wichtig das ist – wann man die Geige braucht oder die Drums nicht verwenden darf. Früher machte ich einfach genau das, was ich wollte, und meine Musik hat ganz natürlich die entsprechenden Leuten erreicht. Hier mussten wir mehr steuern, weil es so viele Vorurteile gegenüber Country gibt, auch innerhalb von Nashville. Mit diesem Album, mit Hilfe von Orville, könnten wir diese Mauern einreißen.“Old Town Road (Diplo Remix)„Den haben wir noch mit draufgepackt, weil er auf dem Label Columbia erschienen ist. Das machte es uns leicht, ihn zu lizenzieren und zu mixen. Den Remix machte ich, als damals das Original erschien – sie wollten etwas Verrücktes, fürs Dance-Radio oder so – also führt es quasi zurück zu den Anfängen dieses Projekts. ‚Chapter 2‘ wird ein bisschen anders sein. Dieses Album steht mit einem Bein in Nashville und mit einem in der verrückten Diplo-Welt, aber es fühlt sich trotzdem etwas ziellos an. Das nächste wird kohärenter werden, denn jetzt wissen die Leute, worum es geht. Mit dem hier musste ich erst mal alle überzeugen, dass es cool werden wird, und das war nicht einfach. Aber wir haben es geschafft.“

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