Große Kunst

Große Kunst

„Eigentlich muss vom ersten bis zum letzten Song alles aus einem Guss sein, sodass ein Song in den nächsten übergeht“, erzählt Betterov im Interview – und genau so klingt „Große Kunst“ auch. Angefangen mit der Ouvertüre über die Intermezzi bis zum Epilog erhält das Album durch getragene Streicherklänge geradezu filmische Struktur und Geschlossenheit. „Das sind alles Soundflächen, die das Album verbinden“, erklärt der 1994 in Thüringen geborene Musiker, der mit seinem Debüt „OLYMPIA“ (2022) bereits die Indie-Szene eroberte. Auf „Große Kunst“ weitet Betterov seinen Sound aus: Treibender Indie‑Rock trifft auf sphärische Post‑Punk-Texturen. Anklänge an The Smiths, Blumfeld oder Interpol verschmelzen zu einer melancholischen, aber zugleich wuchtigen Klanglandschaft. Er erzählt in Fragmenten, in Dringlichkeit – mal geflüstert, mal hinausgeschrien – von Herkunft, Entfremdung und dem Versuch, Bedeutung zu finden. Der Kern des Albums liegt in der Rückschau, in Songs wie „Papa fuhr immer einen großen LKW“ oder dem Titellied, das Betterovs Kindheit in der thüringischen Provinz beschwört. „Es ist anscheinend egal, wie weit man sich entfernt, man kommt irgendwie immer wieder da an, wo man herkommt“, sagt er. Im Titeltrack „Große Kunst“ singt er gegen die Vorstellung an, Kunst sei nur etwas für Eliten: „Bei uns gab es keine große Kunst / […] nur ’nen festen Händedruck“. Für Betterov ist das ein Klassenproblem: Kunst als Ausschlussmechanismus. Mit „17. Juli 1989“, „18. Juli 1989“ und „Sag nicht deinen Namen“ wendet er sich der deutsch-deutschen Geschichte zu, der Flucht seines Vaters aus der DDR und ihren Nachwirkungen – unmissverständlich im Stacheldraht des Albumcovers symbolisiert. „Egal, was es auch ist, mein Kind / Behalt alles für dich / Denn unser Name stand in Akten / Das wirst auch du nicht los / Egal, wie früh du startest / Alle Türen sind schon zu“, heißt es in einem der eindringlichsten Momente. Aus persönlichen Erinnerungen und historischen Bruchlinien formt Betterov große, atmosphärische Popkunst – ernst, poetisch, zugänglich.