CHARLIE

CHARLIE

Fernab des Blockbuster-Pops seines 2016 erschienenen Debüts „Nine Track Mind“ oder des verführerischen Früh-90er-R&Bs auf „Voicenotes“ (2018) handelt Charlie Puths drittes Album von der Innenwelt des Popstars. Geschrieben unter einem Credo, das er selbst als „zuerst die Gefühle, dann die Musik“ zusammenfasst, geht es um die zwei größten Einschnitte seines Lebens: das Ende einer Liebesbeziehung im Jahr 2019 und die Trennung von seinem ehemaligen Plattenlabel. Wenn es ein einheitliches Thema gibt, das die Songs zusammenhält, dann ist es Verbitterung. Wobei: Ein besserer Begriff wäre vielleicht „Katharsis“. „Diese Gedanken drehen sich in meinem Kopf wie eine Waschmaschine“, sagt Charlie Puth gegenüber Apple Music. „Ich lege sie auf einen Beat, füge eine Melodie hinzu, und wenn der Song fertig ist, ist es, als würde ich eine Flaschenpost ins Meer werfen.“Das Ergebnis ist ein insgesamt reichhaltigerer Sound, vom breit angelegten 80er-Jahre-Synthie-Pop in „There’s A First Time For Everything“ bis hin zum 2000er-Pop-Rock in „Smells Like Me“ und dem einzigen Feature, „Left and Right“ mit Jung Kook von BTS. „Ich hege keinen Groll gegen die Leute in den gesellschaftlichen Gruppen, die ich auf dieser Platte offen besinge. Ich habe nichts gegen sie“, sagt er. „Aber es war wichtig für mich, all diese Worte auf diesem Album zu veröffentlichen.“ Unten führt Puth Apple Music Track für Track durch „CHARLIE“.„That’s Hilarious“All diese Lieder verbinden etwas Hässliches mit etwas Schönem. In diesem Song wollte ich, dass der Text hässlich und schön zugleich ist, und auch der Sound sollte hässlich und schön sein. Es beginnt mit schönen Akkorden, dann kommt der Pre-Chorus-Text: Du hast mir ein Jahr meines verdammten Lebens genommen. Das ist nicht gerade subtil. Ungefähr bei der Minutenmarke gibt es einen wirklich tiefen Bass, den ich durch dieses Mike Dean-Plugin laufen ließ, wodurch er super verzerrt klingt. Das ist repräsentativ für die turbulenteste Zeit in meinem Leben, in der ich mich am unwohlsten gefühlt habe.„Charlie Be Quiet!“Diese stark synkopierte, Vers-ähnliche Melodie als Refrain ist mir bei einem Spaziergang eingefallen. Ich hörte „The Whisper Song“, produziert von Mr. Collipark für die Ying Yang Twins. Ich dachte mir: „Warum hat noch niemand einen Song gemacht, in dem jemand flüstert?“ Dann, in der zweiten Hälfte des Refrains, hat man den Eindruck, dass es für die Hörer:innen lauter wird, aber in Wirklichkeit ist alles auf dem gleichen Lautstärkepegel gemastert. Der Song hat lediglich eine Oktave übersprungen.„Light Switch“Ich hatte „STAY“ für Justin Bieber und The Kid LAROI geschrieben und produziert, also war ich in einer sehr energetischen Stimmung. Ich wollte schnelle Musik machen, das war der Ausgangspunkt für dieses Projekt. Ich war schon immer besessen von Broadway-Theaterstücken und Zeichentrickfilmen – wie sie Musik einsetzen, um die Bewegungen auf der Bühne zu betonen. Wenn jemand auf Zehenspitzen geht, hört man eine Pizzicato-Saite. Ich sah buchstäblich einen Lichtschalter und dachte: „Was macht man mit einem Lichtschalter? Man schaltet den Lichtschalter an. Okay, lass uns wirklich kitschig sein.“ Und so kam es zu „You turn me on like a light switch“. Vielleicht bleiben die Broadway-Songs aus einem bestimmten Grund Broadway-Songs.„There’s A First Time For Everything“Während ich diesen Song schrieb, lernte ich neue Leute kennen und unternahm Dinge, die ich vorher noch nie unternommen hatte. Ich sag’s mal salopp: Es gibt für alles ein erstes Mal, und man hat nur ein Leben. In meinem Kopf herrschte ein Gefühl der Euphorie: einfach zu wissen, dass es da draußen eine weite Welt gibt – ich wollte, dass die Platte das klanglich widerspiegelt.„Smells Like Me“Das soll der Song sein, den man am Anfang einer Reality-Show aus den 2000ern hört, etwa in „The Hills“. „Smells“ ist ein sehr hässliches Wort, und es lässt sich nicht besonders gut singen. Welcher Klang repräsentiert dieses Wort? Also habe ich einfach in das Mikrofon geschrien und es automatisch so gestimmt, so dass es verzerrt und roboterhaft klang. Dann kam dieses verträumte Arpeggio. Es erinnert mich an „Arielle, die Meerjungfrau“.„Left and Right“Dieses Lied ist ganz simpel. Man kann nicht jeden Abend in einem Michelin-prämierten Restaurant essen. Manchmal sollte man sich einfach einen Burger und ein paar Pommes bei McDonald’s holen: drei Akkorde, lustig, und nicht über etwas extrem Ernsthaftes singen. Ich mochte diesen Zwiespalt: Die Musik von BTS ist sehr gut produziert, sehr knackig, sehr hell; und dieser Song ist das Gegenteil davon. Jung Kooks Stimme wird normalerweise mit großen, kraftvollen K-Pop-Akkorden assoziiert. Es hat mir gut gefallen, sie unter diesen Red Hot Chili Peppers-Bass zu legen.„Loser“Dieser Song nahm seinen Anfang mit dem Titel. Ich stand unter der Dusche und erinnerte mich an eine Zeit zurück, in der ich das Gefühl hatte, dass ich es mir wirklich mit jemandem verscherzt hatte. Ich dachte, ich hätte sie für immer verloren. Ich fühlte mich wie ein Verlierer. Ich bin ein Sänger, der in L.A. lebt, ich treffe mich mit zu vielen Leuten, und ich bin ein Loser. Daraufhin fragte ich: „How’d I ever lose her?“ Und das reimte sich zufällig. Es klingt wie ein Kinderreim, den es schon ewig gibt. Nur eben ein selbstironischer, trauriger.„When You’re Sad I’m Sad“Dies ist ein Lied darüber, manipuliert zu werden. Wenn du traurig bist, bin ich traurig. Wenn du mit mir Schluss machst und mit jemand anderem weiterziehst, um dann doch zurückzukommen und zu sagen, „Ich habe einen großen Fehler gemacht“, werde ich all meine Werte vergessen. Ich werde meinen ganzen Stolz herunterschlucken als hätte ich den ganzen Mund voll Limonade und ich werde rüber zu dir nach Hause gehen. Ich werde dich trösten und dir Beistand leisten, weil ich daraufhin manipuliert wurde, dich zu lieben.„Marks On My Neck“Ich traf mich mit einer neuen Person. Ich erinnere mich, dass ich morgens aufwachte und mein ganzer Hals von ihren Fingernägeln zerkratzt war. Ich dachte: „Oh, Gott. Ich muss das abdecken. Ich fahre gleich zu meinen Eltern.“ Wir verloren den Kontakt, und die Erinnerung an diese Person fing an zu verblassen, wie auch die Spuren an meinem Hals. Sie begannen zu heilen. Die Parallele ist interessant – diese Male verblassen, je mehr auch meine Erinnerung verblasst.„Tears On My Piano“Ich erinnere mich an ein Konzert von Bruce Springsteen im Giants-Stadium, bei dem das Publikum lauthals mitgrölte. Clarence Clemons spielte bei „Jungleland“ dieses Saxofonsolo. 50.000 Fans schrien, dabei gab es gar keinen Text. „Eines Tages werde ich einen Song schreiben, bei dem die Leute den nicht vorhandenen Text, nur die Melodie, mitschreien können“: Mit diesem Gedanken im Hinterkopf kam ich auf die Melodie „These tears on my piano“, bei der die Klaviermelodie mitsingbar sein sollte. Der Klavierpart klingt fast ein wenig schlampig, weil meine Finger nass waren von all den Tränen, die mir aus den Augen fielen und auf das Klavier trafen.„I Don’t Think That I Like Her“Travis Barker fügte den künstlichen Drums eine wirklich wichtige Ebene an Schlagzeug hinzu. Das gab dem Song etwas, das ich alleine nicht hinbekommen hätte. Ich mag es, wenn ein Sänger etwas singt und der Zuhörer das Gegenteil denkt. Wie bei „Missing You“ von John Waite, wo er sagt: „I ain’t missing you at all/Since you’ve been gone“. Natürlich vermisst du diese Person. Du verleugnest es. Ich verleugne mich in diesem Song, und ich wollte das sagen, ohne es zu sagen.„No More Drama“„Das Album beginnt bitter und selbstkritisch. Mit „No More Drama“ verabschiede ich mich von den anderen elf Songs und segle als gestandener Mensch in das kommende Lebensjahr. Ich bin bereit, weiterzugehen. Es ist die perfekte Schlusspointe für dieses Album.“

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