how i'm feeling now

how i'm feeling now

Am 6. April 2020 verkündete Charli XCX in einem Zoom-Call mit Fans, dass sie umgehend mit der Arbeit an ihrem vierten Album beginnen würde. Nur 39 Tage später war „how i’m feeling“ fertig. „Ich bin mit meinen Gefühlen noch nicht ganz im Reinen, weil alles so schnell ging“, erzählt sie Apple Music kurz vor der Veröffentlichung. „Ich habe mich noch nie so sehr geöffnet. Normalerweise hast du ein bisschen Zeit, dich an ein Album zu gewöhnen. Diesmal nicht.“ Das Album ist keine Lockdown-Kuriosität. Der offene Austausch mit den Fans und die Arbeit von zu Hause in Los Angeles gaben Charli den Drive, in Rekordgeschwindigkeit ihr bis dato vollkommenstes Werk aufzunehmen. Natürlich finden sich darauf ungezähmte Pop-Kracher – ein Ventil für die aufgestaute Energie der vergangenen Wochen. Doch es sind vor allem die verletzlichen Momente, in denen das Talent des Popstars voll zur Geltung kommt. „Mir ist wichtig, über jede Situation und alles, was ich kenne, zu schreiben“, sagt Charli. „Vor der Quarantäne waren mein Freund und ich an verschiedenen Orten. Wir waren physisch getrennt, weil er in New York lebte, während ich in Los Angeles war. Aber auch emotional waren wir nicht auf einer Ebene. Vor der Quarantäne gab es einen Punkt, an dem wir uns fragten, ob dies das Ende sei. Dann wurden wir durch diesen plötzlichen Umbruch zusammengeworfen – und er ist bei mir eingezogen. Es ist die längste Zeit, die wir in den sieben Jahren dieser Beziehung miteinander verbracht haben, und das hat uns die Chance gegeben, gemeinsam zu wachsen. Es war wirklich interessant, Songs aufzunehmen, die ganz eindeutig von einer Person handeln, während diese Person nebenan sitzt. Sagen wir so: Es ist ziemlich intensiv.“ Hier führt uns Charli Track für Track durch das packendste und speziellste Werk ihres Lebens.pink diamond„Dua Lipa fragte mich, ob ich ein Apple Music-Interview für die ‚Zu Hause mit‘-Reihe mit ihr, Zane [Lowe] und Jennifer Lopez machen wollte. Eine Situation, die es natürlich nur in Quarantäne-Zeiten gibt. Wann wäre ich sonst je mit J. Lo auf FaceTime? Während des Gesprächs erzählte J. Lo eine Geschichte, wie sie Barbra Streisand traf und Barbra mit ihr über Diamanten sprach. Zu der Zeit hatte J. Lo gerade diesen ikonischen rosafarbenen Diamanten von Ben Affleck bekommen. Ich dachte sofort: ‚„Pink Diamond“ ist ein hübscher Titel für einen Song‘ und notierte ihn in meinem Telefon. Direkt im Anschluss schickte ich Dua Lipa eine Nachricht: ‚Oh Gott, sie hat den rosa Diamanten erwähnt!‘ Einige Tage später schickte mir [R&B-Künstler und Produzent] Dijon dieses echt harte, aggressive und ziemlich dämonische Demo namens ‚Makeup On‘ und ich fand, dass es eine Verbindung zwischen beiden Titeln gab. Ich kombiniere gern alberne, zuckersüße Bilder mit ziemlich bösen Sounds. Es wurde dann ein Song über Videochats: Du willst ausgehen und Party machen und sexy sein, steckst aber zu Hause vorm Videochat fest. Es sollte der Opener sein, weil ich die Vorstellung mag, dass einige Leute ihn lieben und andere ihn hassen. Ich finde es gut, mit dem ersten Song eines Albums anzuecken und manche Leute vor den Kopf zu stoßen – und zugleich andere total neugierig darauf zu machen, was als Nächstes kommen könnte.“forever„Ich habe großes Glück, dass es mir möglich ist, kreativ und an einem Ort zu sein, an dem ich tun kann, was ich liebe. Zeiten wie jetzt in der Corona-Krise führen dir wirklich vor Augen, wie gut du es hast. Sie bringen die Menschen auch zusammen und motivieren uns, denen zu helfen, die schlechter dran sind. Ich war mir dessen während der Albumproduktion extrem bewusst. Es war mir also wichtig, etwas zurückzugeben – sei es durch Benefiz-Aktionen mit meinem Merchandise oder dadurch, andere kreative Menschen zu unterstützen, die nicht so einfach weitermachen können. Oder indem ich auf diesem Album möglichst viele andere Menschen mit einbeziehe, sodass jeder zu Hause etwas dazu beitragen oder sich zugehörig fühlen kann, wenn er oder sie es möchte. Bei diesem Song zum Beispiel macht es mich wahnsinnig emotional, dass Tausende von Menschen private Clips geschickt haben, damit wir das Video produzieren können. Es ist tatsächlich einer der ganz wenigen Songs, deren Grundideen noch vor der Quarantäne entstanden. Er stammt aus meiner vielleicht dritten Session mit [Produzent und Songwriter] BJ Burton. In dem Lied geht es natürlich um meine Beziehung, aber um die Zeit vor dem Lockdown. Es stellt die Frage: ‚What if we don‘t make it?‘ – betont aber, dass ich meinen Freund immer lieben werde, selbst wenn wir es nicht hinkriegen.“claws„Mein Liebesleben hat eine komplette Wiedergeburt erlebt. Als ich den Track hörte, den [der Künstler, Songwriter und Produzent] Dylan Brady geschrieben hat, wusste ich sofort, dass daraus ein fröhlicher, unbeschwerter Song aus der Flitterwochen-Phase werden musste. Wenn du so fasziniert von jemandem bist und ihn vergötterst, fühlt sich alles wie ein riesiger Gefühlssturm an, fast wie in einem Film. Für meinen Freund war es sicher schön zu sehen, dass ich positive, frohe Songs über uns schreiben kann. Die meisten Stücke in der Vergangenheit waren nämlich traurig und handelten von Herzschmerz. Es hat für ihn auch das Ausmaß meiner Arbeitssucht begreifbar gemacht und den Stress, den ich mir selbst machen kann.“7 years„Dieser Song handelt von unserem gemeinsamen Weg als Paar und den Turbulenzen, die wir unterwegs durchgemacht haben. Es geht auch darum, wie friedvoll es sich für mich anfühlt, mit ihm jetzt hier zusammen zu sein. In der Quarantäne habe ich zum ersten Mal versucht, physisch und mental zur Ruhe zu kommen – ein sehr neues Gefühl für mich. Dies ist auch der erste Song, den ich zu Hause aufgenommen habe, seit ich vermutlich 15 war und noch bei meinen Eltern lebte. Es fühlt sich also sehr nostalgisch an, weil es mich zu einem Prozess zurückführt, den ich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr durchlaufen habe.“detonate„Das hier war ursprünglich ein Track von [Produzent und Labelboss von PC Music] A.G. Cook. Ein paar Wochen bevor die Quarantäne in den USA begann, trafen sich A.G. und BJ [Burton] zum ersten und einzigen Mal und arbeiteten an diesem Song. Er war anfänglich schneller und sie haben ihn verlangsamt. Drei oder vier Tage nach der Session fuhr A.G. nach Montana, um mit seiner Freundin und ihrer Familie zusammen zu sein. Es ist ganz interessant, dass wir drei während der letzten fünf Wochen, in denen wir an dem Album arbeiteten, in ständigem Kontakt standen, die beiden sich aber nur einmal getroffen haben. Ich habe den Text an einem Tag geschrieben, an dem ich ein bisschen verwirrt und frustriert war mit meiner Situation. Ich brauchte vielleicht etwas Raum für mich. Es fällt mir ehrlich gesagt nicht leicht, diesen Song anzuhören, weil sich der Rest des Albums für mich so fröhlich und positiv und voller Liebe anfühlt. Aber es traf mein Gefühl zu der Zeit und kommt in Beziehungen manchmal vor.“enemy„Ein Song, der auf der Redewendung ‚Keep your friends close and your enemies closer‘ aufbaut. Ich musste denken: Wenn dir jemand so nahesteht, bedeutet das, dass er eines Tages dein schlimmster Feind werden kann? Er hätte die stärkste Munition. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass mein Freund jemand ist, der sich gegen mich wenden würde, wenn etwas schiefliefe, aber ich spielte ein wenig mit der Idee. Da der Song weitgehend auf einer Fantasie beruht, dachte ich, die Sprachnachricht würde ihm Bodenhaftung geben. Ich hatte zuvor mit meiner Therapeutin telefoniert. Therapie ist etwas ziemlich Neues für mich. Ich hatte erst ein paar Wochen vor der Quarantäne damit angefangen. Jetzt fühlt sich das schicksalsträchtig an. Nach jeder Sitzung habe ich mich aufgenommen – und es fühlte sich einfach richtig an, diesen Moment des Selbstzweifels als ein Stück Realität einzufügen.“i finally understand„Hier steckt die Zeile ‚My therapist said I hate myself real bad‘ drin. Sie kommt oft auf dem Album vor, oder? Ich mag, dass sich dieser Song ganz anders anfühlt als alles, was ich je ausprobiert habe. Ich wollte schon immer mal mit Palmistry [Produzent und Künstler Benjy Keating] arbeiten. Wir haben viele gemeinsame Freunde und Kreativpartner und ich war total aufgeregt, als mein Manager von seinem Team eine E-Mail mit Beats für mich bekam. Dies ist eine Quarantäne-typische Zusammenarbeit, weil wir uns immer noch nicht getroffen haben und das Ganze allein dadurch entstanden ist, dass er auf etwas reagiert hat, was ich online zu dem Album gepostet hatte.“c2.0„A.G. schickte mir Ende vergangenen Jahres diesen Beat mit dem Titel ‚Click 2.0‘, ein Update zum Song ‚Click‘ von meinem ‚Charli‘-Album. Er hatte ihn für eine Performance mit [US-Künstlerin und Ex-Chairlift-Mitglied] Caroline Polachek gebaut. Ich hab die Show online gehört und sie geliebt und hatte sie auf Repeat laufen, während ich – sorry, ich weiß, das klingt kitschig – in Indonesien herumfuhr und die ganzen Farben und Bäume und Regenbogen an mir vorbeiziehen sah. Es war einfach euphorisierend und wunderschön. Gegen Ende des Aufnahmeprozesses wollte ich noch ein paar weitere Songs machen, und A.G. erinnerte mich an diesen Track. Auf dem ursprünglichen ‚Click‘ gibt es Features von Tommy Cash und Kim Petras und es ist ein sehr angeberischer Song über unsere Künstler-Community. Es geht letztlich darum, dass wir die Größten sind. Wir feiern Freundschaft und die Tatsache, die Menschen zu vermissen, mit denen du sonst am meisten Zeit verbringst, und die Welt, wie sie vorher war.“ party 4 u„Das hier ist der älteste Song auf dem Album. Für mich und A.G. steckt so viel Leben und Geschichte darin. Wir haben ihn live in Tokyo gespielt und irgendwie machte er die Runde und wurde zu einem Favoriten der Fans. Jedes Mal, wenn wir gemeinsam an einem Album oder Mixtape arbeiten, ziehen wir ihn in Erwägung, aber er schien vorher nie zu passen. So klein und dumm es klingt, jetzt ist die Zeit, etwas zurückzugeben. Auch vom Text her passt es aktuell, weil es darum geht, eine Party für jemanden zu schmeißen, der nicht kommt – die Sehnsucht, jemanden zu sehen, doch er taucht nicht auf. Der Song ist wortwörtlich gewachsen: Den ersten Teil haben wir vielleicht 2017 aufgenommen. Dann gibt es jetzt noch Publikumsaufnahmen vom Ende meiner Show in der Brixton Academy 2019 und von mir zu Hause aus der letzten Zeit. Der Song hat eine Reise hinter sich. Leute haben ihn sich immer wieder gewünscht, was mich zögern ließ, ihn zu veröffentlichen, denn ich mag den Mythos um bestimmte Stücke. So was macht Spaß. Es gibt diesen Songs mehr Leben, vielleicht sogar mehr, als wenn ich sie offiziell herausbringen würde. Es setzt diesen fiktiven Hype fort, was ziemlich lustig ist und auch definitiv zu meinem Narrativ als Künstlerin passt. Ich bin oft geleakt und gehackt worden, also spiele ich gern ein bisschen damit.“anthems„In diesem Song geht es einfach darum, krass feiern zu wollen. Eines Nachts während des Lockdowns hatte ich einen Moment, in dem ich dachte: ‚Ich will einfach nur ausgehen.‘ Es fühlt sich so blöd und dämlich an, das zu sagen, und es ist selbstverständlich nicht das Wichtigste auf der Welt. Aber manchmal will ich einfach ausgehen, Dampf ablassen, mich volllaufen lassen, viele schlimme Dinge tun und mich beim Aufwachen furchtbar fühlen. Dieses Lied handelt davon, solche Nächte zu vermissen. Als ich den Track, der von Dylan und [Produzent] Danny L Harle produziert wurde, das erste Mal hörte, wollte ich sofort [den 2012 erschienenen Film] „Project X“ sehen, weil er mir am ehesten das Gefühl gibt, das ich in dieser Nacht bekäme, die ich mir wünsche. Also schrieb ich den Song und schrieb die zweite Strophe zusammen mit meinen Fans auf Instagram – eine sehr coole Erfahrung, die tatsächlich ziemlich zügig ging. Als der Song fertig war, fühlte ich wirklich, dass er definitiv auf den „Project X“-Soundtrack gehört. Er fängt die hektische Energie einer einzigartigen Partynacht ein, die du niemals vergessen wirst.“visions„Alles, was klingt, als ob es am Ende eines Albums stehen sollte, gehört vermutlich doch nicht dorthin. Anfänglich sprachen wir über ‚party 4 u‘ als letzten Track, aber mit dem Lärm der Menschen zum Schluss fühlte es sich zu konventionell an – wie ein emotionaler Abschied. Es macht mir viel mehr Spaß, den Song in die Mitte des Albums zu packen und die Rave-Nummer ans Ende zu stellen. Aber auf gewisse Weise ist das auch ein bisschen traditionell, weil es die Botschaft ist, die ich hinterlassen möchte. Der Song ist wie ein großer luzider Traum: Es geht darum, Visionen von meinem Freund und mir zu sehen – und es ist richtig und endgültig so. Aber dann gleitet der Song in diese sehr seltsame Welt ab, die sich beglückend, aber auch intensiv und unbekannt anfühlt. Das ist ein ziemlich passender Ausklang für dieses spezielle Album. Die Situation, in der wir uns befinden, ist uns unbekannt. Ich weiß selbst nicht, was ich als Nächstes tun werde. Aber ich weiß, dass sich dieses letzte Statement richtig anfühlt – in Bezug darauf, wer ich bin und welche Richtung ich einschlage.“

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