We Are Not Your Kind

We Are Not Your Kind

Bei aller Aggression und Härte, die Slipknot optisch und musikalisch ausstrahlen, ist ihr Verhältnis zur kreativen Gestaltung ihrer Musik so liebevoll und fürsorglich wie das einer Rehmutter zu ihrem Kitz. Für ihr sechstes Studioalbum „We Are Not Your Kind“ hat sich die Band aus Iowa vier Jahre Zeit gelassen, um an der Kommunikation und am Gemeinschaftsgefühl zu arbeiten. Vor allem haben sie eine kraftvolle Reaktion auf unsere von Krisen geschüttelte Welt abgeliefert. Clown (alias #6, bürgerlicher Name Shawn Crahan), der Percussionist von Slipknot, hat bemerkt, dass Fans (liebevoll als „Maggots“ bezeichnet) gerne die Vorzüge des Albums „Iowa“ aus dem Jahr 2001 beschwören, aber er rät ihnen, in sich zu gehen. „Ich muss da widersprechen und betonen, welche Stimmung damals auf der Welt herrschte“, sagt er gegenüber Apple Music. „Und dann schrecken sie ein bisschen zurück und ihnen fällt auf, dass die Welt damals auf dem Kopf stand und dass man Musik brauchte, um das durchzustehen. Wir haben das Gefühl, dass die Welt heute wieder an solch einem Punkt ist.“ So werden auf diesem Album Rebellion („Birth of the Cruel“, „A Liar‘s Funeral“), Märtyrertum („Unsainted“) und Meditation („Insert Coin“, „What‘s Next“) in den wirbelnden Moshpit aus Electronic und Thrash Metal, der den Sound der Band ausmacht, geworfen. Clown führt Apple Music Track für Track durch „We Are Not Your Kind“. „Die Musik und wir selbst haben durchgeatmet“, erklärt er. „Alle sind voll dabei.“ „Insert Coin“ „Das ist eine Art auszudrücken, dass man auf alle anderen wartet, bis sie schließlich kommen. So als ob man auf einem Felsvorsprung am Meer steht und beobachtet, wie sich alle durch die raue See kämpfen. Es ist eine gemeinsame Ausrichtung. Wirf eine Münze ein. Auf geht’s.“ „Unsainted“ „Das ganze Album folgt demselben Schema. Wir schauen uns jeden Song an, Takt für Takt, Beat für Beat. Und man fragt sich, wie viel Farbe, Temperatur und Liebe man noch hinzufügen kann. Das war eine unglaubliche Erfahrung, und es passt perfekt. Es spiegelte die Mentalität des ganzen Albums wider. Als der Song vor Jahren auftauchte, blieben mir vor allem das Gitarrenriff und der Chorus im Gedächtnis. Ich erinnere mich noch an meine Reaktion: ‚Das wird der erste Song auf dem Album.‘ Es war einfach magisch. Das ist neu, das sind wir. Das ist, wo wir uns gerade befinden.“ „Birth of the Cruel“ „Dieser Track gehört zu meinen Favoriten. Er verändert sich. Er ist krass. Er hat Drive. Wir hatten ihn schon seit einer Weile in Arbeit. Corey Taylor sagt da: ‚I’m overthrown/I’m over your throne‘. Für solche Wortspiele lebe ich einfach.“ „Death Because of Death“ „Ein weiteres Beispiel dafür, was das Leben ausmacht. Dieser Song ist sehr stimmungsvoll und wirft Fragen auf. Ein weiteres Stück des Puzzles. Wie eine Schlange, die sich heranschleicht und wieder weg ist, bevor du reagieren kannst. Sie mag zwar klein sein, aber sie könnte auch sehr giftig sein. Und das könnte dein Leben auf ungewollte Art verändern, wenn du es zulässt.“ „Nero Forte“ „Ich suche die persönliche Herausforderung. Ich habe viel von den Leuten in der Band gelernt – während wir auf Tour waren, von allen Mitstreitern, die dabei waren – der Grad an Respekt, den ich für diese Leute empfinde, ist etwas Wunderbares. Ich wollte alles, was ich gelernt habe, in einer kleinen Kadenz zusammenfassen – der Breakdown-Teil, den man da hört, war mir sehr wichtig. Und der Chorus fegt mich einfach weg. Das Falsett – 20 Jahre im Geschäft und Corey Taylor singt Falsett. Was könnte fantastischer sein? Wir reden hier von Evolution und davon, immer noch Neues auszuprobieren – und von der Liebe zur Musik. Als ob man auf einen Strand springt und um sein Leben rennt.“ „Critical Darling“ „Der Song provoziert enorme Reaktionen. Die Gesangsmelodie gefällt mir am besten. Ich liebe die Stimmung, die Cory hier rüberbringt. Er ist mein absoluter Lieblingssänger, weil er sich so tief in sein eigenes Ich versenken kann und dabei etwas sehr Persönliches hervorbringt. Die Meisten würden das nicht machen. Aber er macht es für sich selbst und für uns alle. Für uns ist es anders, aber gleichzeitig zeigt es genau, wer wir sind. Ich glaube, dieser Track trägt viel zu den anderen Farben des Albums bei.“ „A Liar’s Funeral“ „Diese Art von Song kann aus vielen verschiedenen Gründen sehr schwierig sein. Zuerst klingt alles sehr gewohnt und man glaubt zu wissen, was als nächstes passiert, aber dann fällt einem auf, dass Corey härter singt als bei den vorherigen Tracks. Man kann nicht anders, als gebannt hinzuhören. Hierbei handelt es sich um einen der Songs, für die ich persönlich gekämpft habe, und er hat bekommen, was er verdient. Die Details sind wirklich ausgefeilt und hier ist er nun: ‚Burn, burn, burn, liar!‘“ „Red Flag“ „Genau das ist das traditionelle Slipknot-Gefühl. Es fühlt sich sehr thrashig an. Dieser Track macht Spaß. Er wirbelt herum und er fühlt sich anders an als ‚Get This (Or Die)‘ oder ‚Eeyore‘. Ich finde, er ist wichtig für die Temperatur und Zusammenstellung des Albums.“ „What’s Next“ „Halbzeitpause ist eine nette Art, ihn zu beschreiben. Ich habe das vorher nie so betrachtet, aber vielleicht ist er ja genau deshalb an dieser Stelle des Albums. Normalerweise machen wir uns keine Gedanken darum, wie wir die Leute wieder in die Realität der Musik zurückholen können, bevor sie abgelenkt werden und ihrem Hund etwas Wasser hinstellen oder sowas. Seine Stimmung ist exakt wie wir und wofür wir im Moment stehen – und sogar wofür wir auf unserem Weg von 1998 bis heute gestanden haben. ‚What‘s Next‘ ist wie Ingwer – er neutralisiert den Gaumen, gekontert von einer vielleicht etwas herablassenden Haltung. Er ist ein netter kleiner Trab.“ „Spiders“ „‚Spiders‘ ist eine Anomalie – der Song, bei dem jeder denkt, er habe ihn verstanden und zu dem jeder etwas zu sagen hat. Wir sprachen über dieses Zitat, das immer kursiert: ‚Es ist einfach, etwas Simples verrückt klingen zu lassen, aber es ist beinahe unmöglich, etwas Verrücktes simpel klingen zu lassen.‘ ‚Spiders‘ mag sich zwar simpel anhören, begibt sich aber an ganz schön seltsame Orte. Das ist ein zentraler Teil unserer Karriere, weil wir uns ununterbrochen selbst hinterfragen. Als Musiker lernen wir immer weiter dazu, weil für mich die Musik Gott ist. Darum lästere ich auch nie über Dinge, die wir machen. Letztendlich müssen alle mitmachen und es muss sich nach Slipknot anhören. Mehr Slipknot als bei ‚Spiders‘ geht nicht. ‚Spiders‘ kommt dich holen.“ „Orphan“ „Dieser Track ist sehr, sehr heavy. ‚Orphan‘ war der erste Song, den wir arrangiert und bereits früh ausgetüftelt hatten. Aber dann haben wir ihn ewig aus den Augen verloren, weil wir von anderen Sachen abgelenkt waren. Corey schaute etwa anderthalb Jahre nach der ursprünglichen Session vorbei und ‚Orphan‘ war eines der Stücke, die er damals von uns bekommen hatte, um einen Text dafür zu schreiben. Ich weiß nicht mehr, wie der Song damals hieß. Er schickte mir jedenfalls eine SMS, in der stand, dass er ihn ‚Orphan‘ nennen würde – mir war klar, dass das richtig heavy und persönlich werden würde. Schon das Wort ‚Orphan‘ [Waisenkind] ruft im Geiste eine Farbe hervor, die für mich sehr grau, monoton und bewegungsunfähig ist. Ich erinnere mich noch, wie ich auf die Textnachricht starrte und unser Produzent Greg Fidelman zu mir herüberschaute. Ich sagte: ‚Der Song wird „Orphan“ heißen.‘ Daraufhin sagten alle nur ‚wow‘. Es ist ein sehr tiefgründiger Song, der sich für uns irgendwie traditionell anfühlt.“ „My Pain“ „‚My Pain‘ gibt es schon eine Weile. Und wieder mal geht es hier um Kommunikation. Es ist ein sehr, sehr wichtiger Song für die Welt, für jeden Einzelnen. Wir haben solche Songs: ‚Til We Die‘, ‚Heartache and a Pair of Scissors‘, ‚Skin Ticket‘, ‚Prosthetics‘, ‚Danger – Keep Away‘. Da gibt es diese jenseitige Quelle, bei der wir uns bedienen. Und ich glaube, dies ist einer dieser Songs, aber er ist etwas mehr fixiert auf seine eigene Realität.“ „Not Long for This World“ „Dieser Song bringt die Fantasie in Wallung. Er malt Bilder in meinem Gehirn. So, als ob wir dich in den Walt-Disney-Film ‚Fantasia‘ mitnehmen würden. Micky fuchtelt mit dem Zauberstab des Meisters herum und auf einmal sind da immer mehr Besen, die Wasser holen. Ich bin 49, aber als Kind hat mir das echt Angst gemacht. Der Song beschreibt das Ende der Welt, auch wenn das abgehoben klingt. Er ist sehr wichtig für die Stufen des Albums. Man beginnt bei Stufe eins und kämpft sich bis zum Ende durch, bis man ganz oben ist. Entweder springt man dann oder man steigt wieder herunter. Man könnte sagen, dieser Track ist die Vorbereitung für ‚Solway Firth‘. Ich weiß nicht, ob es ein Konzept ist, weil alles, was wir machen, ein Konzept ist. Ich könnte anführen, dass alles von ’98 bis heute ein Konzept war, weil wir extrem künstlerisch sind – bei der Musik, bei allem.“ „Solway Firth“ „Als ich hörte, wie Corey am Ende des Songs sagt ‚You want a real smile? I haven't smiled in years‘ [Du willst ein echtes Lächeln? Ich habe seit Jahren nicht gelächelt], habe ich geweint. Es tat mir weh. Es tat mir für mich weh. Es tat mir für meine Familie weh. Es tat mir für die Leute um mich herum weh. Es tat mir 190 % für ihn weh. Es tat mir weh für denjenigen, über den er da sprach. Es tat mir für alle weh. Mir war klar: Das wird der letzte Song des Albums. Nach diesem Satz kann nichts mehr kommen. Für jeden, der auf diesem Planeten Scheiße durchmacht … So kann man es ausdrücken, kann man es beenden und dann wieder aufstehen und sein Potenzial unmittelbar verändern. Davor ist dieser kleine falsche Abschluss. Also lässt man sich einen Moment lang entführen und auf einmal: Bumm! Man bekommt einen fetten Schlag ins Gesicht und es ist an dir, wieder aufzustehen und daran zu glauben, dass du die Kontrolle hast, dein Schicksal zu verändern.“

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