Wahlfamilie

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Wahlfamilie

In der Nacht, als du mit diesem Typen Schluss gemacht hast und zurück in die Wohnung kamst und mich gefragt hast, ob ich dein Haar mitternachtsblau färben kann, da lief Azealia Banks’ Album in Dauerschleife. Wir hörten bereits die Songs für Kenner, als wir feststellten, dass die Haare eigentlich lila aussahen.An dem Nachmittag, als sich Sylvester und Frankie Knuckles in unserer Küche um das Kohlgemüse kümmerten und den Truthahn im Auge behielten, sagten wir nicht: ‚Ich möchte dieses Jahr nach Hause.‘ Oder: ‚Sie sagten, ich soll nicht kommen.‘ Unsere Wohnung war bereits voll mit Freunden, Familie, Weggefährten – und Verwandtschaft. Das war vielleicht das erste Mal, dass wir nichts auf Blutslinien gaben, denn wir kennen unsere Familie ja genauso gut, wenn wir sie fühlen wie unsere Musik, wenn wir sie hören. Du musst das einfach erleben, diese Liebe, um sie zu verstehen.In der Nacht, als ich mich auf die Couch warf und sagte, dass ich mit Meshell Ndegeocello an meiner Seite bloss noch heulen wollte, gabst du mir die Erlaubnis, meine Gefühle für einen Moment zu fühlen, nur um dann „Love Is the Message“ zu spielen und mir zu sagen, es sei Zeit, solange zu im Tanz zu pendeln, bis ich etwas andere als Kummer empfände. Deshalb tanzten wir solange, bis wir irgendwann anfingen, uns im Kreis zu drehen.Frank Ocean war über Monate hinweg immer wieder unser Mitbewohner. Wir wussten nie, wann er kommt, bis wir feststellten, dass er längst da war. Wir fanden immer einen Platz für ihn, wenn er uns brauchte. Wer könnte zu solch einer Stimme schon ‚nein‘ sagen? Wenn ich darüber nachdenke, kann es auch sein, dass er wusste, wann wir ihn brauchten und immer dann erschien. So läuft das eben manchmal mit Familie. Unausgesprochene Bedürfnisse, die von einer geliebten Person, die plötzlich auftaucht, erfüllt werden. So wie ein selbst gekochtes Gericht, dessen Notwendigkeit du erst dann erkennst, wenn der Teller leer ist. Oder wie der Tequila-Shot, den du genau in der Sekunde in der Hand hältst, wenn du gerade nervös bist. Oder wie der leuchtend grüne Pelzmantel auf deinen Schultern, wenn du gerade jemanden brauchst, der dich daran erinnert, dass du der dunkelste Stern von allen bist. – Saeed Jones, preisgekrönter Autor von „How We Fight for Our Lives: A Memoir“. Das Buch ist eine Reihe von Ausschnitten, die vom Leben eines homosexuellen Afroamerikaners aus den US-Südstaaten erzählt und ist jetzt auf Apple Books erhältlich.

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