Der Titel des sechsten Albums von twenty one pilots ist eine Anspielung auf „scaled back and isolated“, zu Deutsch „zurückgefahren und isoliert“. Worte, die die Welt von Frontmann Tyler Joseph am besten zusammenfassen, als er während des Lockdowns in seinem Keller in Ohio schrieb und aufnahm. „Es fühlte sich einfach sehr eingeengt an“, erzählt er im Gespräch mit Apple Music. „Ich hatte diese kleine Drachenfigur, die während des gesamten Schreibprozesses auf meinem Schreibtisch stand. Und ich wusste einfach, dass, wenn du dich auf das kleinste Detail in deinem Zimmer – oder wo auch immer du eingesperrt bist – konzentrierst, dieses Ding zum Leben erwachen und durch dein Zimmer fliegen kann. Dieser Drache auf dem Cover repräsentiert tatsächlich, was man mit dieser Art von Vorstellungskraft erreichen kann.“Wie wohl für jeden anderen auch, hatten die Herausforderungen des Pandemie-Lebens einen spürbaren Einfluss auf Josephs Arbeit – aber vielleicht nicht ganz so, wie man es erwarten würde. „Ich habe aktiv versucht, gegen diese natürliche Neigung anzugehen, düsterer zu werden“, sagt er. „Es fühlte sich nicht richtig an, den Druck dessen, was in unserer Welt vor sich geht, noch zu verstärken.“ Stattdessen treibt Joseph seine Gitarre auf „Scaled and Icy“ in hellere, hoffnungsvollere Gefilde. „Es fühlte sich an, als müsste ich in die entgegengesetzte Richtung gehen“, sagt er. „Ich wollte der Sache entkommen und den Leuten die Möglichkeit geben, ihr ebenfalls zu entfliehen.“ Hier nimmt uns Joseph mit in einige der Schlüsselmomente des Albums. „Good Day“Ich habe den Song so konzipiert, als würde etwas zum Leben erwachen. Wenn du dir ihn wirklich anhörst, ist er an der Oberfläche pulsierend und leuchtend. Im Text spreche ich aber darüber, wie ich versuche, mit der Vorstellung umzugehen, wenn ich jemals meine Familie und Freunde verlieren würde. Ich würde wahrscheinlich durch eine Trauerphase gehen, in der meine Reaktion auf die Frage, wie es mir geht, so wäre: „Mir geht es gut. Alles ist grossartig, ich weiss nicht einmal, warum du mich fragst.“ Damit sie sich schlecht fühlen, nach dem Motto: „Warum fragst du mich das überhaupt?“ Darum geht es in diesem Song.„Choker“Ich komme aus einem Basketball-Background und „Choking“ heisst: Du stehst an der Freiwurflinie und musst einen der beiden treffen. Wenn du beide verfehlst, ist das ein „Choke“. Ich denke, dass es für mich in bestimmten Freundschaften und Beziehungen Momente gab, in denen ich mich der Situation hätte stellen können, es aber nicht tat, und damit muss ich leben. Ich glaube, jeder hat diese Momente, in denen er das Gefühl hat, dass er versagt hat. Der Song versucht, das zu verarbeiten und herauszufinden, ob das wirklich die Rolle ist, zu der ich geboren wurde. Kann ich das beeinflussen? Ist das etwas, das ich ändern kann?“„Shy Away“Mein Bruder sagte: „Hey, ich möchte, dass du mir von Anfang an zeigst, wie du eine Platte beginnst. Wie fängst du an, einen Song zu schreiben?“ Also habe ich ihn zu mir ins Studio eingeladen. Oft setze ich mich erst einmal hin, greife zu meinem Handy und habe einen Haufen Sprachnotizen von Ideen, die mir zufällig eingefallen sind. Manchmal ist es nur ein einzelnes Wort, manchmal ist es eine Melodie. Ich fing an, den Track von diesem Punkt aus aufzubauen, und es stellte sich heraus, dass es ihm darum ging, seinen Traum vom Leben als Musiker zu verfolgen. Die meisten meiner Songs sind sehr nach innen gewandt, aber dies ist einer der wenigen, bei denen ich das Gefühl habe, dass die Botschaft nach aussen gerichtet ist und von mir kommt. Das Einzige, was noch schwieriger ist, als herauszufinden, wo dein Ziel liegt und welche Identität du hast, ist zuzusehen, wie jemand, den du liebst, versucht, das Gleiche herauszufinden.„Saturday“Wenn es keine Wochentage gibt, verlierst du deinen Rhythmus. Du verlierst dein Gefühl dafür, was oben und was unten ist. Und das ist eine Lektion, die [Schlagzeuger] Josh [Dun] und ich auf der Tour ziemlich schnell gelernt haben, denn ein Freitagabend und ein Montagabend konnten sich genau gleich anfühlen, egal, ob wir eine Show hatten oder nicht. Als die Pandemie ausbrach, wurde alles stillgelegt und jeder lernte die gleiche Lektion: Die Wochentage verloren ihre Bedeutung und das Zeitgefühl der Leute kam durcheinander. Du fühlst dich, als ob du durch die Gegend wirbelst und deine Füsse nicht geerdet sind. Der Song ist wirklich, als würde ich zu meiner Frau sprechen, in der Hoffnung, dass sie bei mir bleibt, obwohl ich das alles durchmache und obwohl ich irgendwie ins Nichts stürze.„No Chances“Ich habe meinen Bruder und ein paar seiner Freunde rekrutiert, um rüberzukommen und Gang-Vocals aufzunehmen. Sie bekommen ein Mikrofon in der Mitte des Raums, ich habe alle mit Kopfhörern ausgestattet und gebe ihnen sozusagen Anweisungen, was sie sagen und schreien sollen. Das war das erste Mal, dass ich einen Raum voller Leute aufgenommen habe. Ich dachte an die Leichtathletik und speziell an den College-Sport, wo es eine überwältigende Menge an Zuschauern aus der Heimatstadt gibt. Und wie einschüchternd das sein kann und wie mächtig das im Angesicht der Gegenseite ist. Ich habe definitiv darüber geschrieben – ich fühlte die Energie einer Sporthalle oder eines Stadions und wollte das einfangen.„Redecorate“Ich hatte einen Freund, dessen Sohn verstorben ist, und sie wollten sein Zimmer so lassen, wie er es verlassen hatte. Ich erinnere mich, dass ich dachte, was für eine verrückte, mächtige Geschichte das ist, und ich fragte mich ebenso: „Was werden die Leute wohl mit meinen Sachen machen?“ Es kann dich echt auf den Boden der Tatsachen zurückholen und dafür sorgen, dass du keine schrecklichen Entscheidungen triffst. Ich merke jetzt, wie schwierig es ist, darüber zu sprechen, aber dieser Song ist wirklich wichtig für mich. Ich liebe die Botschaft darin und ich hoffe, dass unsere Fans hören, was ich damit sagen will. Auch wenn es ein etwas heikles Thema ist: Das ist einer meiner Lieblingstracks und er ist ziemlich kraftvoll – wenn man ihn lässt.