Harry's House

Harry's House

Harry Styles’ drittes Soloalbum, „Harry’s House“, ist das Ergebnis einer Kettenreaktion. Hätte die Pandemie Anfang 2020 seine Welt nicht ins Trudeln gebracht, wäre er mit „Fine Line“, seinem von der Kritik gelobten zweiten Album, weiter auf Tournee gegangen und hätte die Songs Hunderte Male vor ausverkauften Häusern auf der ganzen Welt gespielt. Natürlich war eine Rückkehr ins Studio geplant, aber als COVID-19 auch diese Pläne durchkreuzte, sah sich Styles zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt mit einem leeren Terminkalender konfrontiert. Der Sänger entschloss, diese freie Zeit sinnvoll zu nutzen: Er unternahm einen Solo-Roadtrip durch Italien und besuchte Familie und Freunde für ungewohnt lange Zeit. Es war ein wichtiger Moment der Neubewertung. „Man verpasst so viele Geburtstage“, erzählt er Zane Lowe von Apple Music. „Irgendwann geht man einfach davon aus, dass man nicht mehr dabei sein kann. Schliesslich dachte ich mir: ‚Ich möchte mein Leben ein bisschen besser ausbalancieren. Arbeiten ist nicht das, was ich bin, sondern etwas, das ich tue. Ich will auch mal abschalten können.‘“Sein beschwingter, leicht elektrolastiger dritter Longplayer befasst sich mit dem Konzept von Zuhause, wobei er es weniger als geografischen Ort als vielmehr als einen Zustand begreift – seinen Verstand. „Stell dir vor, es ist ein Tag in meinem Zuhause, ein Tag in meinem Kopf“, sagt er. „Was erlebe ich? Ich spiele fröhliche Musik. Ich spiele traurige Musik. Ich habe Zweifel. Ich fühle etwas.“ Wegen der Pandemie nahm Styles die Songs mit einer Handvoll langjähriger Vertrauter und enger Mitstreiter:innen auf. Sie trafen sich in einem einzigen Raum, um Wein zu trinken, zu schreiben und zu spielen. Diese Intimität spiegelt sich in den dialogisch und zwanglos angelegten Liedern wider, so als würde er laut denken. Die Mischung aus klassischem Folk-Rock mit einem Hauch von Disco und einer allgemein entspannteren Atmosphäre verdeutlicht einen Wendepunkt in Styles’ Karriere, der sich immer mehr zum Singer-Songwriter entwickelt. „Es war mir eine Zeitlang wichtig, aufregend zu bleiben“, sagt er. „Aber schliesslich dachte ich mir: ‚Okay, ich bin nicht mehr der Jüngste, also möchte ich wirklich darüber nachdenken, wer ich als Musiker sein will.‘“ Lies weiter und erfahre, was hinter einer Auswahl der herausragenden Stücke aus „Harry’s House“ steckt.„Music For a Sushi Restaurant“Nach „Fine Line“ hatte ich eine Vorstellung davon, wie ich das nächste Album eröffnen würde. Aber bei „Sushi“ war mir klar: „Nein, ich will so anfangen.“ Wenn du den Leuten etwas vorspielst und sie sagen: „Oh, kann ich was von der Musik hören?“, dann ist klar, wie der erste Song sein sollte. Es geht darum, welchen Ton du anschlagen willst.„Daylight“Uns war irgendwie klar: Wir müssen wach bleiben und den Song fertigstellen, denn wenn wir jetzt alle ins Bett gehen, wird er nicht so, als wenn wir ihn heute Nacht hinbekommen hätten. Also haben wir uns durchgekämpft, ihn fertiggestellt und sind zum Strand gegangen, als die Sonne aufging, und wir dachten: „Okay, yeah.“ Es fühlte sich richtig an, dass wir es genau an dem Punkt geschafft hatten. Im Leben und vor allem in Liedern geht es viel um Momente. Beim Surfen zum Beispiel bekommst du manchmal keine Welle und manchmal kommt die Welle und du bist nicht vorbereitet. Aber hin und wieder kommt die Welle und du bist bereit, du hast genug Übung, dass du sie reiten kannst. Manchmal, wenn sich die Songs wie von selbst schreiben, fühlt es sich an wie: „Okay, es gibt einen Grund, warum ich manchmal da draussen stehe und ein paar Mal vom Brett falle. Es ist für diesen Moment.“„As It Was“Für mich ist „As It Was“ bittersüss. Es ist niederschmetternd. Es ist ein Todesmarsch. Es geht um Metamorphose und einen Perspektivwechsel, was beides nicht unbedingt zu den Dingen gehört, für die man Zeit hat. Die Leute sagen nicht: „Oh, wir geben dir noch ein paar Tage Zeit, damit du dich von deinem früheren Ich verabschieden kannst“ oder so. Nein. Jeder verändert sich, und wenn du merkst, was passiert ist, ist [der Moment] schon vorbei. Ich glaube, während der Pandemie wurde uns allen irgendwann klar, dass es nie wieder so sein würde wie vorher – es war so offensichtlich. Man kann nicht zurückgehen – nicht wir als Gesellschaft und nicht ich in meinem persönlichen Leben. Aber in solchen Momenten lernt man so viel, weil man gezwungen ist, sich den Dingen direkt zu stellen, ob es nun etwas ist, was man an der Welt am wenigsten mag, oder etwas, das man an sich selbst am wenigsten mag, oder alles zusammen.„Matilda“Ich hatte eine Begegnung mit einer Person, die mir beim näheren Kennenlernen einiges offenbart hat, von dem ich dachte: „Hm, das ist nicht normal, ich glaube, du solltest dir vielleicht Hilfe suchen oder so.“ Der Song wurde von diesem Erlebnis und der Person inspiriert, die ich quasi als Matilda aus dem Buch von Roald Dahl getarnt habe. Ich habe es ein paar Freunden vorgespielt und sie haben alle geweint. Da dachte ich mir: „Okay, anscheinend ist das wirklich ein Thema, dem man sich widmen sollte.“ Es ist schon seltsam, aber bei so etwas denke ich: „Ich möchte dir etwas geben, ich möchte dich irgendwie unterstützen, aber das steht mir nicht unbedingt zu, denn ich habe absolut keine Erfahrung damit.“ Manchmal geht es einfach darum, zuzuhören. Ich hoffe, das habe ich hier getan. Zumindest drückt es das aus: „Ich habe dir zugehört.“„Boyfriends“„Boyfriends“ habe ich direkt im Anschluss an „Fine Line“ geschrieben. Das Album war im Prinzip fertig und wir hatten noch eine Woche, in der ich „Adore You“, „Lights Up“ und „Treat People With Kindness“ geschrieben habe. Am Ende der Session für „Lights Up“ haben wir mit „Boyfriends“ angefangen, und es fühlte sich an, als könnte der Song auf das Album passen. Und gleichzeitig dachten wir: „Nein, der braucht seine Zeit, wir sollten nichts überstürzen.“ Wir haben unglaublich viele Versionen des Songs gemacht. Gesungen. Akustisch. E-Gitarre. Harmonien auf allem, und dann haben wir sie an manchen Stellen rausgenommen und woanders wieder reingetan. Du willst es nicht überstürzen, wenn du einen Song schreibst, aber bei diesem hatte ich das Gefühl: „Okay, wenn ich 50 bin und eine Show spiele, gibt es vielleicht eine Person, die mich zum ersten Mal gehört hat, als sie 15 war, und das ist wahrscheinlich der Song, den sie hören will.“ Denn ich lerne so viel, wenn ich singe. Es ist meine Art auszudrücken: „Ich höre dich.“ Ich erkenne damit mein eigenes Verhalten an und schaue mir Verhaltensweisen an, die ich beobachtet habe. Ich bin mit einer Schwester aufgewachsen, ich habe gesehen, wie sie sich mit Leuten verabredet hat, und ich habe gesehen, wie meine Freund:innen sich mit Leuten verabredet haben – und manchmal sind die Leute echt nicht nett zueinander.„Cinema“Ich wollte einfach etwas machen, das wirklich Spass macht, ganz ehrlich. Ich war in einer Art Tretmühle und machte „Do-do-do-do-do-do“. Normalerweise schreibe ich viel im Studio, aber bei diesem Album habe ich ein bisschen hier und da gemacht, und dann bin ich nach Hause hab etwas mehr bisschen dort geschrieben, dann habe ich es sozusagen liegen lassen und bin dann ins Studio gegangen, um alles zusammenzufügen. Das war eigentlich ein roter Faden durch das ganze Album: Wir haben normalerweise ein Studio gebucht und gesagt: „Okay, wir haben zwei Monate Zeit, um das Album fertigzustellen.“ Aber an manchen Tagen hat man einfach keine Lust, und irgendwann ist man so lange im Studio, dass man über nichts mehr schreiben kann, weil man einfach nichts gemacht hat. Bei diesem Album haben wir also ein paar Wochen lang gearbeitet und dann ist jeder losgezogen und hat sein eigenes Leben gelebt.„Love Of My Life“„Love Of My Life“ war der aufwühlendste Song, weil er so schlicht ist. Er ist so karg. Er entspricht auch sehr dem, worum es in „Harry’s House“ geht: Ich wollte eine Akustik-EP machen, ganz in meinem Zuhause, und sie wirklich intim gestalten. Sie ist nach [dem japanischen Pop-Pionier Haruomi] Hosono benannt, der in den 70er-Jahren ein Album namens „Hosono House“ herausgebracht hat. Ich hatte sofort Bilder im Kopf, wie „Harry’s House“ wohl aussehen würde. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass das Haus kein geografischer Ort ist, sondern etwas Inneres. Als ich dieses Konzept auf die Songs anwandte, die wir hier machten, bekam alles eine neue Bedeutung. Stell dir vor, es ist ein Tag in meinem Zuhause oder ein Tag in meinem Kopf. Was erlebe ich? Ich spiele fröhliche Musik. Ich spiele traurige Musik. Ich spiele dies, ich spiele das. Ich habe Zweifel. Ich fühle etwas. Und es gehört alles zu mir. Das ist im Moment mein Lieblingsalbum. Ich liebe es so sehr. Und aufgrund der Umstände wurde es sehr intim produziert; das Ganze entstand in einem Raum und wurde von einer kleinen Anzahl von Leuten eingespielt. Für mich ist es alles. Es ist alles, was ich machen wollte.

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