Michael Tilson Thomas ist einer der angesehensten und zielstrebigsten Dirigent:innen der USA. Er ist nicht nur für seinen Umgang mit dem großen Repertoire des klassischen Musikkanons weltweit bekannt, sondern auch dafür, dass er sich bei den von ihm geleiteten Orchestern gegen standardisierte Programme wehrt. Der Dirigent wurde 1944 in Los Angeles in eine Künstlerfamilie geboren, die seine frühe musikalische Entwicklung förderte. Nach einer glanzvollen Zeit an der University of Southern California begann Tilson Thomas, sich für die Erweiterung des Spektrums amerikanischer Orchester zu interessieren. Mit 19 Jahren wurde er musikalischer Leiter des Young Musicians Foundation Debut Orchestra, wo er an Aufführungen mit einigen der großen Avantgardekomponisten des 20. Jahrhunderts zusammenarbeitete – darunter Igor Strawinsky, Pierre Boulez und Karlheinz Stockhausen. Nachdem er jahrzehntelang zwischen renommierten Sinfonieorchestern wechselte und dabei eine beachtliche Diskografie produzierte, übernahm er 1995 den Posten, für den er am besten bekannt ist: Musikdirektor der San Francisco Symphony. In dieser Position realisierte Tilson Thomas maßgebliche Aufführungen und Aufnahmen von Standardwerken, etwa das „The Mahler Project“ von 2011, eine 22-bändige Sammlung aller Sinfonien und Orchesterlieder des Komponisten. Auch als Komponist war Tilson Thomas aktiv und brachte verborgene Schätze von amerikanischen Komponist:innen des 20. Jahrhunderts wie Charles Ives, John Cage und Steve Reich zur Uraufführung. Er verließ San Francisco im Jahr 2020 und zog sich nach einer Krebsdiagnose, die er 2022 bekannt gab, weitgehend von seinen wichtigen Ämtern zurück.