„Es ist Aykut Anhan, Hermann-Steinhäuser-Straße, Mainpark.“ Wer Haftbefehl ist, woher er kommt und warum seine Musik oft so wütend klingt, erklärt der Offenbacher mit schonungsloser Härte und beeindruckender Beobachtungsgabe in seinen Songs. Der innovative Sprachgebrauch, die vertrackten Reimschemata und ein authentischer Hintergrund machen den Rapper zweifelsohne zu einem der talentiertesten Texter Deutschlands – eine Qualität, die heute bis in die bürgerlichen Feuilletons hinein anerkannt ist. Zu Beginn seiner Karriere war dies jedoch noch vollkommen anders: Als Haftbefehl wie aus dem Nichts in die Hip-Hop-Szene platzte, wurde seine Musik von vielen als grobschlächtig und unzugänglich abgetan. Doch mit seiner Art, den Slang deutscher Großstädte, der sich Worte aus allen möglichen Weltregionen einverleibt, in Kunst zu verwandeln, wurde er zum Pionier einer neuen Strömung und überzeugte selbst seine größten Kritiker. Haftbefehls Musik klingt oft hart und melancholisch. Trotzdem trägt sie aufgrund des Selbstbewusstseins, mit dem Haftbefehl die dunklen Ecken seiner Persönlichkeit und dieses Landes erkundet, auch großes emanzipatives Potenzial in sich. Spätestens seit „Russisch Roulette“ (2014), das nicht nur unter Kenner:innen als eines der besten deutschsprachigen Hip-Hop-Alben gilt, ist Haftbefehl eine lebende Legende.