Thanks for the Dance

Thanks for the Dance

Überwältigt von der positiven Resonanz auf sein Album „You Want It Darker“, hinterließ Leonard Cohen drei Wochen vor seinem Tod am 7. November 2016 seinem Sohn Adam wichtige Instruktionen. Unveröffentlichte Songs, an denen beide gemeinsam gearbeitet hatten, sollten mithilfe bereits aufgenommener Gesangsparts vollendet werden. Mit Hingabe arrangierte Adam die Songs so, wie er meinte, dass Leonard sie gern gehört hätte. Auf diese Weise entstand das Album „Thanks for the Dance“, das nun posthum mit unveröffentlichtem Material erscheint und gleichermaßen liebevoll und respektvoll ausgefallen ist. „Es sollte dabei nicht um mich gehen“, erzählt Adam Cohen Apple Music. „Ich habe nicht meine eigenen Vorlieben in den Vordergrund gestellt – die Herausforderung bestand darin, die Songs in seinem Sinne auszuwählen. Mein Vorteil gegenüber deutlich bekannteren und versierteren Produzenten ist, dass diese im Gegensatz zu mir nicht wissen, was er auf keinen Fall mochte.“ Im Folgenden erzählt Adam uns die Geschichten zu jedem einzelnen Track und hebt einige seiner liebsten Lyrics hervor. Happens to the Heart „Jeder, der Leonard Cohen am Ende seines Lebens kannte, wusste, dass es diesen einen Song gab, der ihn geradezu zwanghaft umtrieb und den er unbedingt vollenden wollte – dieser Song war ‚Happens to the Heart‘. Er war geradezu besessen davon, ihn zu beenden, doch wir waren einfach nicht in der Lage, eine musikalische Umsetzung hinzubekommen, mit der er zufrieden war. Ich denke, dass es ein Stück in einer langen Reihe von Songs ist, die sein essenzielles Lebenscredo beinhalten, nämlich eine Art ‚Anti-Halleluja‘: Alles bricht auseinander und so ergeht es auch dem Herzen. Mir lagen diese unglaublichen Vocals vor, die ihm so viel bedeutet haben. Es war ein Weg, ihn bei mir zu behalten und ihm nahe zu sein. Es gibt diese emotionale Seite, aber wichtiger als alles andere war für mich, es einfach gut zu machen. Als Erstes mussten alle Strophen durchgegangen und eine Gesangsspur zusammengefügt werden, basierend auf der zuletzt von ihm abgesegneten Version des Gedichts. Diese Vocals mussten dann in eine Akkordfolge übertragen werden, die für einen Leonard Cohen-Hörer Sinn ergeben würde.“ Moving On „Seine Vorstellung bei diesem Song war es, wie in einer Meditation ein und dieselbe Zeile zu wiederholen. Jedes Mal, wenn wir es versuchten, scheiterte es jedoch an seinem eigenen Anspruch. Ich hatte also einige dieser großartigen Vocals von ihm und die Kunst war es nun, zur Essenz zurückzukehren und den östlich angehauchten Sound des Tremolos zurückzubringen – in diesem Fall den Mandolinen-Spieler Avi Avital sowie Javier Mas und seine spanische Akustikgitarre in meinem Garten in Los Angeles. ‚As if there ever was a you‘ ist eine Zeile, die mich unglaublich berührt. Das Ganze fühlt sich an wie ein nostalgischer Traum. Als wir den Gesang aufnahmen, hatte er gerade die Nachricht vom Tod von Marianne [Ihlen] erhalten. Beim Aufnehmen der Vocals kam es mir wirklich so vor, als würde er den Text kanalisieren und abändern – als wäre der Song eine Abwandlung von ‚So Long, Marianne‘. Wir hatten während der Aufnahme darüber diskutiert und es bestärkte mich in meiner Absicht, die mediterrane Romantik des Songs noch stärker zu betonen.“ The Night of Santiago „‚Night of Santiago‘ war immer eines meiner Lieblingsgedichte, die von meinem Vater stammen. Es ist eigentlich eine Adaption eines Gedichts von Federico García Lorca. Ich habe es mehrere Jahre lang im Entstehungsprozess gehört, im Vorgarten, beim Kaffee oder Abendessen, und meinen Vater immer gebeten, den Versuch zu unternehmen, Musik dafür zu schreiben. Als seine Gesundheit schon angegriffen war, sagte er: ‚Schau, ich trage das Gedicht einfach in einem gewissen Tempo vor und du schreibst dann die Musik und versuchst, auf diese Weise die Story zu erzählen.‘ Es machte wirklich großen Spaß, an dem Song zu arbeiten. Er hat eine so sinnliche Sprache! Er wurde größtenteils in Spanien mit Sílvia Pérez Cruz aus Barcelona, Javier Mas und Carlos de Jacoba aufgenommen, um ihm diesen Flamenco-Touch zu verleihen – wir waren sehr darauf bedacht, eine gewisse Art von Lebensfreude einzufangen. Als wir zurück in L.A. waren, kam Beck vorbei, um in den Strophen hier und da eine Maultrommel hinzuzufügen und eine Gitarrenspur einzuspielen, um dem Ganzen eine zusätzliche dramatische Note zu verleihen.“ Thanks for the Dance „Mein Vater hatte versucht, eine Version des Songs auf den Alben ‚Old Ideas‘, ‚Popular Problems‘ und ‚You Want It Darker‘ unterzubringen. Jahrelang suchte er nach einem Weg, wie er den Song gestalten sollte. Ich denke, dass er mit dieser besonderen Version sehr zufrieden gewesen wäre. Das Stück sollte Assoziationen zu Songs wie ‚Dance Me to the End of Love‘ und ‚Hallelujah‘ hervorrufen. Ihm wohnt eine gewisse Art von Leichtigkeit und Unverfrorenheit inne, die einen großen Teil von Leonard Cohens Arbeit ausmacht: ‚Nicht weiter als bis zur Oberfläche, die Oberfläche ist schon genug‘. Diese Art der Resignation, aber gleichzeitig auch des Humors spiegelt seine Verfassung gegen Ende seines Lebens wider. Jennifer Warnes, seine langjährige Gesangspartnerin, kam zu mir und sang für den Track. Als wir ihn beendet hatten, wussten wir, dass das Album stand. Diese Kombination der weiblichen Stimme mit dem tiefen Bariton meines Vaters hatte etwas Besonderes. Es berührt einen Nerv und lässt dich glauben, den Song zuvor schon gehört zu haben. ‚You Want It Darker‘ hatte eine gewisse Schwere und Dunkelheit, während diese Darbietung eine leichtere, schwungvolle Qualität und Romantik auszeichnet.“ It’s Torn „‚Torn‘ wurde vor zehn Jahren mit Sharon Robinson begonnen, mit der mein Vater zahlreiche Songs geschrieben hatte und auf Tour gewesen war – aber so richtig beendet wurde das Stück in Berlin mit dem Komponisten und Konzertpianisten Dustin O’Halloran. Es hat ähnliche Akkorde wie das vor Jahrzehnten entstandene ‚Avalanche‘. Man spürt hier wieder eine beständige Botschaft, seine wunderbare Theorie der Zerbrechlichkeit und das Spiel mit der Unvollkommenheit des Lebens: ‚It’s torn where there’s beauty, it’s torn where there’s death. It’s torn where there’s mercy, but torn somewhat less‘, sagt er. ‚It’s torn in the highest, from kingdom to crown. The messages fly but the network is down. Bruised at the shoulder and cut at the wrist. The sea rushes home to its thimble of mist. The opposites falter, the spirals reverse. And Eve must re-enter the sleep of her birth.‘ Das ist fast wie in der Bibel. Ich habe das noch nie von einem anderen Songwriter gehört, noch nicht einmal von Dylan. Es ist einfach so wunderbar komponiert, es ist wie König David.“ The Goal „‚The Goal‘ ist wohl mein Lieblingsstück auf dem Album. Der Hammer kommt am Ende: ‚No one to follow and nothing to teach. Except that the goal falls short of the reach.‘ Das ist eine unglaubliche Zeile zum Nachdenken, die ziemlich gut seinen Zustand am Ende seines Lebens widerspiegelt, als er auf seinem Stuhl saß, das Leben an sich vorüberziehen sah und diese zutiefst großmütigen Gedanken hatte, die er mit uns teilte. Die Musik, die seinen Text begleitet, erweckt den Humor und die Ergriffenheit, das Bewegende und die Spärlichkeit – so wie ich mir seinen Gemütszustand vorstellte. Das Berührendste, das die Leute nach dem Hören dieser Songs immer wieder sagen: Sie fühlen, dass Leonard Cohen immer noch unter uns weilt, dass er noch am Leben ist. Und dieser Song hat diese Qualität in einem besonders kraftvollen Maße. Der Vortrag kommt fast dem Theater nahe, er ist so präsent. Er sprach mit Sicherheit vom Jenseits aus zu uns.“ Puppets „Ein weiteres Gedicht, über das wir jahrelang diskutierten. Oder zumindest über Jahre hinweg, in denen er mit meiner Enttäuschung konfrontiert wurde, dass es nie zu einem Song wurde. Er schmunzelte immer und sagte: ‚Na gut, schreibe etwas, das musikalisch Sinn dafür ergibt, dann ziehe ich es gegebenenfalls in Betracht.‘ Dem Text und der Sicht des Erzählers wohnt eine heftige Kühnheit inne. Und das Arrangement hat einen stählernen, kirchlichen Charakter. Der Text: ‚German puppets burned the Jews. Jewish puppets did not choose.‘ Einen Song derart zu beginnen, ist erschreckend mutig, weswegen er ein kraftvolles Arrangement benötigte. Zudem zieht sich dieses Jenseitige durch den gesamten Song. Wir nahmen mit einem deutschen Chor in Berlin auf und gingen letztlich nach Montreal, um mit dem jüdischen Männerchor zusammenzuarbeiten, der eine so wichtige Rolle auf ‚You Want It Darker‘ spielte. So kommen in dem Song buchstäblich ein Chor von Deutschen und ein Chor von Juden zusammen. Die Kunst bestand darin, etwas Beschwörendes zu kreieren, ohne dabei rührselig zu werden.“ The Hills „Mit ‚triumphal‘ lässt sich der Song wunderbar beschreiben – in der halb-komischen Aussage des Erzählers, dass er den Berg nicht bezwingen kann. Eine der wundervollen Paradoxien unserer Existenz. Der Song hat eine Qualität wie „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“, aber gleichzeitig geht es um die Reise – darum, was man einst wollte, gegenüber dem, was man bekommen hat. Das Stück hat etwas Schonungsloses und Resigniertes, aber trotzdem nichts Trauriges. Das ermöglicht dieses großartige, zeitlose Empfinden, das gleichzeitig frisch und modern ist. Patrick Watson, einer meiner Lieblingsmusiker, trug mit Bläsern und Gesangsarrangements maßgeblich zur Arbeit bei. Es ist der einzige Song auf dem Album, der mit jemandem koproduziert wurde.“ Listen to the Hummingbird „Der letzte Song, den wir aufgenommen haben. Wir stritten uns zu jener Zeit, weil wir ein Album mit acht Songs hatten, was sich nach zu wenig anfühlte – wir wussten, dass wir noch einen weiteren brauchten. Als wir in Berlin waren, arbeitete Justin Vernon von Bon Iver im Studio neben unserem und schuf diese unglaublich emotionalen und ergreifenden Sounds. Es lag etwas Mitreißendes und Inspirierendes in der Luft, das mich an die letzte Pressekonferenz meines Vaters erinnerte. Es war das letzte Mal, dass er in der Öffentlichkeit auftrat, eine Promo-Geschichte für ‚You Want It Darker‘. Spontan sagte er: ‚Möchtet ihr ein neues Gedicht hören?‘ Und dann rezitierte er es in dieses billige Mikrofon in einem Konferenzraum. Ich fragte Sony nach der Aufnahme, stellte es wieder komplett so her, dass es metronomisch passte, und kombinierte dieses Stück Musik mit den atmosphärischen Sounds von Bon Iver, die durch die Wand unseres Studios in Berlin kamen. Auf diese Weise ist der Song entstanden.“

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