Chopin: Piano Sonata No. 2, Op. 35 "Funeral March" - Beethoven: Piano Sonata No. 29, Op. 106 "Hammerklavier"

Chopin: Piano Sonata No. 2, Op. 35 "Funeral March" - Beethoven: Piano Sonata No. 29, Op. 106 "Hammerklavier"

Auf den ersten Blick scheinen Frédéric Chopins Klaviersonate Nr. 2 und Ludwig van Beethovens „Hammerklaviersonate“ eine ungewöhnliche Paarung zu sein. „Üblicherweise neigen wir dazu, Beethoven und Chopin als sehr unterschiedliche Komponisten zu sehen“, sagt die Pianistin Beatrice Rana gegenüber Apple Music Classical. „Auch das Publikum erkennt bei ihnen nicht viele Gemeinsamkeiten.“ Tatsächlich haben diese beiden Achttausender des Klavierrepertoires aber eine Menge gemeinsam, angefangen bei ihren Tonarten: b‑Moll und B‑Dur. Beide Sonaten brechen zudem mit der Norm und zeigen ihren Komponisten im dritten Satz in seiner verletzlichsten Phase. „Der ‚Trauermarsch‘ ist eines der dramatischsten Stücke, die Chopin je geschrieben hat“, sagt Rana, „und der dritte Satz von Beethoven ist wirklich eine Reise in das Innere von Beethoven als Mensch.“ Die letzten Sätze sind dagegen geradezu revolutionär. Beethoven bahnt sich mit einer unglaublich langen Fuge einen Weg. Auch der vierte Satz von Chopin ist bemerkenswert: „Es ist absolut unglaublich“, sagt Rana, „diese parallele Bewegung in beiden Händen, einfach ununterbrochen pianissimo, wie Flügel. Und dann haben wir den schockartigen Schlussakkord im Fortissimo.“ Beethovens Klaviersonate Nr. 29, die 1818 komponiert wurde und den Spitznamen „Hammerklaviersonate“ trägt, ist seine längste und technisch schwierigste. Der erste Satz beginnt mit kolossalen Akkorden, die fast orchestral anmuten. Während seiner zehnminütigen Reise bietet der Satz kaum Verschnaufpausen. „Die Musik ist unglaublich anspruchsvoll“, sagt Rana, „und mir gefällt, dass dieses Gefühl der Herausforderung mit dem Publikum geteilt wird – sie zu hören erfordert schon viel. Allein zu verstehen, was im vierten Satz passiert, ist eine wahre Aufgabe.“ Rana ist eine einzigartige Pianistin – sie spielt mit fast grenzenlosen technischen Fähigkeiten, aber mit einer Leidenschaft, die tief unter die Oberfläche dringt. Solche Musiker:innen gibt es nicht oft, und es ist bezeichnend, dass der tiefgründige dritte Satz sie davon überzeugt hat, die „Hammerklaviersonate“ aufzunehmen, und nicht etwa die extremen Anforderungen. „Das 18-minütige Adagio sostenuto“, sagt Rana, enthält „eine der schönsten Melodien überhaupt – sie ist so rein und so zart. Das ist erstaunlich für Beethoven, da er im Allgemeinen nicht als Melodiker gilt.“ „Beethovens Melodien sind immer die Entfaltung eines bestimmten Intervalls, einer Tonleiter oder einer Wiederholung“, erklärt sie. „Wenn ich an Melodien denke, denke ich an Chopin, nicht an Beethoven.“ Aber hier passiert etwas Magisches: „Diese Melodie wird im Laufe des Satzes immer weiter entwickelt“, sagt Rana, „und je öfter sie wiederkehrt, desto kraftvoller wird sie – und auch introvertierter. Ich glaube nicht, dass es in Beethovens Schaffen viele andere Kompositionen wie diese gibt.“ Rana verleiht dem langsamen Satz von Chopins Sonate eine ähnlich ätherische, ja sogar spirituelle Qualität, während andere Pianist:innen ihn oft mit einer gewissen Schwermut beladen haben. „Ich habe mich immer von einer Anekdote aus Chopins Leben inspirieren lassen“, sagt sie. „Er war auf Mallorca und nicht besonders gesund. Er spielte gerade einige seiner Werke und hob irgendwann den Kopf und sah eine Priesterprozession an dem Klavier vorbeiziehen. Ihm war natürlich klar, dass es eine Halluzination war, aber er stand auf und rannte vom Klavier weg. Für mich ist dieses Detail essenziell – es gibt hier ein Gefühl der Halluzination und auch der Loslösung von der Realität, das sehr wichtig ist.“ Und in der Tat hat Chopins Sonate, die 1839 fertiggestellt wurde, starke autobiografische Züge. Sie ist das Porträt eines Mannes, der sich mit seiner Sterblichkeit beschäftigt, so, wie Beethoven in der „Hammerklaviersonate“ beginnt, sich mit seiner Taubheit auseinanderzusetzen. „Chopin erzählt Geschichten von der ersten bis zur letzten Note. Es gibt nur eine Chance, dem Werk zuzuhören. Man kann nicht einfach zurückspulen. So gesehen denke ich, dass es wie im wahren Leben ist. Es ist tatsächlich ein Spiegel von Chopins Leben in diesem bestimmten Moment.“

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